Von Dorsten nach Münster auf Wesel-Datteln- und Dortmund-Ems-Kanal – 81 km – 10,5 h – 4 Schleusen
Von Dorsten nach Flaesheim: 24 km – 4 h – 2 Schleusen

Am nächsten Morgen nimmt der Verkehr im Vergleich zu gestern ziemlich zu. Unser Freund Jean-Marie, Frachtkapitän von Beruf, hatte uns schon gewarnt vor dem Wesel-Datteln-Kanal. Die Schleusen sind anscheinend seit dem Bau des Kanals nicht erneuert worden und dementsprechend nicht in bestem Zustand. Es kommt wohl häufig vor, dass Schleusenkammern kurzfristig gesperrt werden und sich dann der Güterverkehr aufstaut. Laut ELWIS ist bei unserer ersten Schleuse des Tages, der Schleuse Dorsten, die kleine Kammer gesperrt. Und tatsächlich müssen wir lange warten, bis wir mit in die große Kammer können. Die Schleuse kostet uns alles in allem knapp zwei Stunden.


Danach ist es eine relativ entspannte Fahrt, trotz des hohen Verkehrsaufkommens. Das Kanalwasser hat eine tolle Farbe, ein tiefes Grün. Leider beschließt das Display unseres bordeigenen Raymarine-Navigationsgeräts, dass es nun langsam Zeit ist zum Sterben. Innerhalb von zwei Stunden verdunkelt sich die Hinterleuchtung graduell so stark, dass man nichts mehr erkennen kann. Jetzt ist es ja so, dass wir niemals Strecken befahren, für die wir keine halbwegs aktuellen Papierkarten haben. Nur für den Wesel-Datteln-Kanal und den Dortmund-Ems-Kanal dachten wir, auf Karten verzichten zu können, weil erstens: kurze Strecke und zweitens: bordeigenes Navi. Aber gut, verfahren kann man sich auf so einem Kanal nicht wirklich. Die aktuellen Brückenhöhen hatte Thomas bereits auf ELWIS gecheckt, und die Kartenfunktion unserer iPhones hilft auch ein bisschen bei der Orientierung.

Am Nachmittag erreichen wir den angepeilten Yachthafen Flaesheim, und es gibt auch einen Platz für uns, wenngleich wir eigentlich ein bisschen zu lang sind dafür. Die Marina gehört zum Freizeitpark Flaesheim, einer Mischung aus Laubensiedlung und Campingplatz. Das Regelwerk für Bewohner und Besucher ist umfassend und streng.

Ich habe den Verdacht, diese Regeln hat sich der hiesige Hafenmeister ausgedacht. Thomas hat sich aufgemacht, um ebendiesen Hafenmeister zu finden und den Liegeplatz zu bezahlen. Mehrfach versucht er vergeblich, ihn unter der am Hafenbüro angegebenen Nummer mobil zu erreichen, obwohl das Büro um diese Zeit offiziell geöffnet sein sollte. Ohne den Zugangscode für den Steg käme er ja auch nicht mehr aufs Boot zurück. Der örtliche Kiosk hilft schließlich. Man weiß, wo der Herr wohnt, und holt ihn. Schließlich angekommen, bellt der Hafenmeister im Befehlston: „ Haben Sie Brennesseln in der Hose oder brennt das Schiff oder was? Setzen Sie sich jetzt erst mal hin!“ Thomas meint: „Ich dachte, Sie machen Mittagsschlaf.“ Dem Herrn friert daraufhin das Gesicht ein, und Thomas befürchtet, wir müssen wieder abreisen.


Ich habe eine große Faszination für die hiesige Kultur der Laubensiedlungen, die ich so aus Bayern überhaupt nicht kenne. Da wohnen die Leute in Duisburg oder Recklinghausen auf engstem Raum zusammen, und am Wochenende und in den Ferien fahren sie in ihre eine Stunde entfernte Datsche – um dann wieder auf engstem Raum zusammenzuhocken. Was mir sehr sympathisch ist, ist die vorherrschende Fußballbegeisterung. Wer keine Deutschlandflagge an seinem obligatorischen Fahnenmast hängen hat, hat eine Vereinsfahne aufgezogen. Alle Vereine der Region sind recht gleichmäßig vertreten, mit einer leichten Übermacht des BVB und einer völligen Abwesenheit von Bayer Leverkusen.



Auf dem Steg völlig abwesend ist auch jegliches Mobilfunknetz. Für eine Nacht ist das okay. Längerfristig wäre das schwierig, weil unser gesamtes Lebensmodell im Prinzip mit der Qualität des Internetempfangs steht und fällt. Lustig ist in diesem Hafen übrigens auch, dass man den Müll nur in einem festgelegten Zeitfenster von zwei Stunden am Tag abgeben kann. Gegen Extra-Bezahlung. Ich habe ein gewisses Verständnis für die Rhododendron-Sünder.
Von Flaesheim nach Münster: 57 km – 6,5 h – 2 Schleusen
Nach einer sehr ruhigen Nacht brechen wir am nächsten Morgen Richtung Münster auf. Obwohl bei der letzten Schleuse auf dem Wesel-Datteln-Kanal, der Schleuse Datteln, ebenfalls die kleine Kammer außer Betrieb ist, kommen wir zügig voran.

Als wir aus der Schleuse ausfahren und die Mündung in den Dortmund-Ems-Kanal vor uns liegt, sage ich zu Thomas: „Du, da liegen WIR!“ Am Ufer liegt ein Boot, das genau wie unseres aussieht. Thomas so: „Ja, das sieht schon ähnlich aus.“ Ich so, schon voll aufgeregt: „Nein, das sind wirklich WIR. Das ist ein Siemer-Boot!“ Jetzt muss man wissen, dass man die Boote unseres Modells buchstäblich an einer Hand abzählen kann. Thomas greift also zum Fernglas, und tatsächlich – da liegt eine Siemer Yacht, ein klein wenig kürzer als unsere.

Ich halte also sofort drauf zu, denn da müssen wir natürlich Hallo sagen. Als wir den Eignern erzählen, dass unser Boot die ehemalige Riesling ist, sind sie total perplex. Die Riesling wurde nämlich damals nach dem Vorbild ihres eigenen Bootes gebaut, und sie sind mit Michael, dem Voreigentümer, gut bekannt. Was für ein Riesenzufall! Wir verbringen also die nächste Stunde bei Sabine und Bernd an Bord und quatschen über unsere Boote und ihre Macken. Irgendwann drängt die Zeit, denn es ist noch weit nach Münster, und wir müssen los. Da sich auch die beiden demnächst auf den Weg nach Berlin machen wollen, hoffen wir, dass wir nochmal Gelegenheit für ein Pläuschchen bekommen.

Auf dem Dortmund-Ems-Kanal ist dann richtig was los. Abgesehen vom Verkehr ist der Kanal aber fad. Ich bin irgendwie enttäuscht, denn ich hatte mir vorgestellt, dass es viele spannende Industriekulissen geben würde. Pustekuchen. Völlig unspektakuläre Landwirtschaft rechts und links, und das über zig Kilometer. Eine gewisse Herausforderung liegt darin, keine Schwimmer zu überfahren, denn es wird sehr viel gebadet in diesem Kanal.






Schreibe den ersten Kommentar