26.9. bis 1.10.2019 – Von Potsdam über Brandenburg nach Hannover – 273 km – 33,25 h – 6 Schleusen
Wo ist der goldene Herbst, wenn man ihn braucht? Ich wäre sehr gern noch länger in Potsdam geblieben, aber das Wetter! Am Freitag soll es megaeklig werden, also brechen Schorsch und ich lieber schon am Donnerstag auf. Immerhin schaffen wir vorher noch zwei Dinge von meiner Potsdam-To-Do-Liste: Ein Besuch im Barockschloss Caputh und ein Abendessen im russischen Lokal Haus 1 in der Russischen Kolonie Alexandrowka.
Thomas war schon von Werder aus per Rad im Schloss, und aufgrund seiner Fotos wollte ich unbedingt die Ausstellung sehen, die dort noch bis 31. Oktober 2019 läuft: B.A.R.O.C.K. Vier zeitgenössische Künstlerinnen haben gezielt für das ohnehin sehr hübsche Schloss Kunstwerke geschaffen, die geschickt in die Originalausstattung integriert sind. Thomas, Schorsch und ich finden es großartig, aber bei unvorbereiteten Besuchern, die eigentlich nur das Schloss gucken wollen, stößt das, den Reaktionen nach zu urteilen, bisweilen auf grobes Unverständnis…







Beim Russen reisse ich dann die Essensbestellung an mich, und Schorsch lässt mich netterweise gewähren. Ich bin nämlich ein großer Fan von russischer Küche und habe ziemlich genaue Vorstellungen, was ich unbedingt mal wieder auf dem Tisch haben möchte: Sakuska, Schuba („Hering im Pelzmantel“), Russische Eier, Matjes „Nostalgie“, dazu Kwas und ein paar Runden Wodka. Sehr ordentlich, das alles, und richtig gemütlich in diesem alten russischen Holzhaus.



Am Donnerstag machen wir uns dann auf den Weg nach Brandenburg a.d. Havel. Wir fahren dieses Mal nicht über Werder, sondern den kürzeren Weg nördlich von Potsdam über Jungfernsee und Sacrow-Paretzer-Kanal. Wirklich hübsch, die Route.








Für die Vorstadt-Schleuse in Brandenburg hatte ich mich schon auf eine längere Wartezeit eingestellt, aber es geht dann doch recht schnell. Hinter uns fahren zwei kleinere Charterboote ein. Für eine der Bootsbesatzungen scheint es die erste Schleusung ever zu sein. Sie machen das Boot nur an der Bugleine fest und stellen sich dann beim Schleusen in der Kammer quer. Der Schleusenwärter lehnt sich aus dem Fenster und meint süffisant, irgendwie müssten sie das zeitnah in Griff kriegen, denn unten würde bereits ein Boot auf die Einfahrt warten. Wie das Drama ausgeht, entzieht sich meiner Kenntnis, denn als erste in der Schleuse müssen wir auch als erste raus.

In der Stadt parken wir wieder auf dem lieb gewonnen Liegeplatz ein, und ich fühle mich sofort ein bisschen zu Hause. Den verregneten Freitag beginnen wir (ausnahmsweise) mit leckeren Muffins zum Kaffee in einem der süßen Brückencafés an der Jahrtausendbrücke. Danach geht’s mit der Straßenbahn zum Industriemuseum. Das hatte ich ja beim letzten Aufenthalt wegen Hitze verpasst. Ich bin total begeistert, und auch Schorsch ist mächtig von dem Industriedenkmal Siemens-Martin-Hochofen beeindruckt, dem letzten seiner Art in Europa. Das ist wirklich eines der coolsten Museen, in denen ich jemals war, und man merkt überall das Herzblut, das in der Gestaltung steckt. Es wird gerade ein „Jahrmarkt der Wende“ vorbereitet, was teilweise zu skurrilen Bildern führt.




Am Samstag brechen wir dann sehr früh auf und machen richtig Strecke. Der Wetterbericht sagt nämlich für Montag Sturm voraus, und wir müssen spätestens Dienstagabend in Hannover sein. Wir reissen bei Schauerwetter den Elbe-Havel-Kanal runter und schaffen es bis zum Mittellandkanal, obwohl uns die Schleusen Wusterwitz und Zerben zusammen fast vier Stunden kosten. Wir dürfen nur zusammen mit einem Frachtschiff schleusen, und es ist ausgesprochen wenig Verkehr heute. Zwischen Zerben und Hohenwarthe hängen wir uns deshalb an ein recht langsames polnisches Frachtschiff und dessen fiese Dieselabgase dran. Wir hatten gehofft, noch bis Haldensleben zu kommen, aber der Tag ist zu kurz, die Sonne geht bald unter. Nach elf Stunden Fahrt legen wir erschöpft an der Sportbootliegestelle am Wasserstraßenkreuz Magdeburg an. Die ist sehr angenehm, hat aber natürlich keine Einrichtungen wie Strom oder Wasser.

Am Sonntag geht’s dann bei noch ungemütlicherem Wetter (mehr Schauer und auch noch aufkommender Wind) weiter auf dem MLK. Wir hatten als Haltepunkt Wolfsburg angedacht, denn den Hafen habe ich beim letzten Aufenthalt ziemlich lieb gewonnen. Nachdem wir aber voraussichtlich am Montag wegen des Sturms nicht fahren können, hätten wir dann am letzten Fahrtag fast 80 km und zwei Schleusen. Das erscheint uns deutlich überambitioniert, deswegen passieren wir heute noch die ungeliebte Schleuse Sülfeld.
Diesmal geht es zwar aufwärts, was ein erneutes Hängenbleiben unwahrscheinlicher macht, aber diese Schleuse bleibt doof. Es gibt keine Schwimmpoller, und Schorsch muss bei einem Hub von neun Metern mehrfach die Leine umlegen. Die Strömung in der Kammer ist dermaßen stark, dass ich alle Mühe habe, uns nah genug an der Wand zu halten. Der Bugseitenstrahler schwächelt mal wieder, und nur mit viel Rumrangieren meinerseits kann Schorsch die Poller gerade so erreichen. Als wir oben sind, sind wir beide ordentlich verschwitzt.
Gegenüber der Abzweigung des Elbe-Seitenkanals gibt es eine Sportbootliegestelle, die windtechnisch perfekt ausgerichtet ist. Wir belegen an der Spundwand durch vier Ösen und lassen die Leinen lang, damit uns der Sturm nicht so beutelt. Am Montagmorgen geht es dann auch los mit dem Gebläse des Orkanausläufers. Ich wache gegen fünf davon auf, dass das Boot so richtig durchgerüttelt wird.
Jetzt erstmal einen Kaffee. Das Zusammenleben mit Schorsch ist nahezu perfekt, seit er morgens beim ersten Geräusch der Kaffeemühle nur noch müde grunzend die Hand durch einen Spalt seiner Kabinentür streckt und seinen Hafermilch-Cappuccino entgegennimmt. Gespräche vor dem ersten Kaffee verderben mir den Tag nämlich gründlich.
An Weiterfahren ist heute, wie bereits vermutet, nicht zu denken. Ich nutze den Tag für Arbeiten, die weder viel Strom noch viel Wasser benötigen, denn wir haben diesbezüglich ja keine Versorgung hier. Also Bürokram, muss ja auch erledigt werden. Mittags machen wir zum Pasta Kochen mal eine halbe Stunde den Generator an.

Am Abend legt sich der Wind endlich, aber fürs Weiterfahren ist es zu spät. Dafür gehen die Hunde am Dienstagmorgen noch in der Dämmerung Gassi, und wir brechen um viertel vor acht auf. Es läuft ziemlich reibungs-, aber auch ereignislos auf der Strecke. Der Mittellandkanal ist seit dem Sommer nicht spannender geworden.

Wie schon die Tage zuvor haben wir recht starken Gegenverkehr, in unsere Richtung ist hingegen wenig los. Das bekommen wir dann vor allem an der einzigen Schleuse des Tages, Anderten, zu spüren. Wohl weil im Unterwasser so viele Frachtschiffe warten, nimmt man uns nicht mit in der leeren Kammer nach unten. Ich nehme an, der Schleusenwärter möchte keine Verzögerung durch eventuell ungeschickte Sportbootführer riskieren. Wir dürfen erst schleusen, als endlich ein Frachter in unserer Fahrtrichtung ankommt. Über zwei Stunden dauert es, bis wir schließlich wieder raus sind aus der Schleuse!

Von dort aus ist es nicht mehr weit bis zum Yachthafen Hannover. Der Hafenmeister wartet schon auf uns und weist uns wieder auf den gleichen Platz ein, den wir letztes Mal schon hatten. Nach diesem Parforce-Ritt sind wir redlich erschöpft und belohnen uns mit Bier und Pizza im Hafenrestaurant.
Wilkommen in Belgien. Brugge ist wunderschön.
Danke! Ja, Brugge würde uns auch gefallen, aber nach unseren Recherchen ist das mit unseren Abmessungen schwierig. 🙁