Teil 3: Von Düsseldorf bis Rotterdam (261 km, 19 h)
13. Dezember 2018: Von Düsseldorf nach Emmerich (112 km, 6,75 h)

Wir brechen wieder früh auf. Bald passieren wir Krefeld mit seinen schönen alten Hafenanlagen. Danach kommt auch schon die nächste Stelle, die ungute Erinnerungen weckt: Duisburg, wo wir beinahe mitsamt Boot in die Luft geflogen wären.


Ab Duisburg wird der Verkehr krass. Bis zu 600 Schiffe passieren Duisburg täglich, und so fühlt es sich auch an. Es geht zu wie auf einer achtspurigen Autobahn, nur dass jeder selbst bestimmt, welche Fahrwasserseite er benutzt. Wir müssen uns halt irgendwie durchschlängeln durch die Containerschubverbände, Tankschiffe und tief im Wasser hängenden Kohlekähne.

Eisig kalt ist es geworden. Wir müssen aber zwischendurch immer wieder die Persenning aufmachen, weil unsere Scheiben stark beschlagen. Ab und zu bringt der Smutje mit Chiliflocken aufgepeppte heiße Hühnerbrühe aus der Kombüse nach oben, das hilft ganz gut. Und außerdem hat Céline uns die Fahrt mit Kuchen versüßt.


Für die Nacht legen wir im Yachthafen Emmerich an. Leider hat man uns am Telefon verschwiegen, dass der Hafen nebst allen Einrichtungen geschlossen ist. Wir dürfen gnädigerweise unterm Kran liegen, zahlen aber trotzdem die volle Gebühr. Wenigstens haben sie ein gut funktionierendes WLAN.


14. Dezember 2018: Von Emmerich nach Zaltbommel (82 km, 6,25 h)
Am nächsten Morgen ist die Lage genau so, wie wir sie erwartet haben – der extrem steile und lange Holzsteiger glitzert sehr hübsch im Licht der Stirnlampe, ist aber aufgrund der Glätte unmöglich zu begehen. Das Morgengassi muss erst mal ausfallen. Wir suchen auf Google Earth das Rheinufer nach Anlegemöglichkeiten ab. Es ist schwierig, aber eventuell könnte es in Tolkamer funktionieren.

Bei der heutigen Bewölkung ist es erst deutlich nach acht hell genug zum Losfahren. Es geht natürlich schon wieder zu wie am Stachus. Hinter Tolkamer sehen wir dann einen Steg, der von Frachtschiffen zum Auto verladen benutzt wird. Er ist gerade frei, und wir wenden und legen gegen den Strom behelfsmäßig an. Nie im Leben würde ich mich trauen, hier einen Hund von Bord zu heben, aber der Gatte macht das heldenhaft, dreimal raus, dreimal wieder rein. Ich kann gar nicht zuschauen. Frisch entleert können wir dann endlich weiterfahren.
Der Rhein geht in die Waal über, und das bedeutet, noch mehr Verkehr auf halb so breitem Fluss. Die Wellen sind jetzt echt massiv.

Nicht weit hinter der holländischen Grenze an der Einmündung des Amsterdam-Rhein-Kanals kassieren wir dann gleich mal einen Strafzettel. Die Herren von der Wasserschutzpolizei bedeuten uns, bei ihnen längsseits zu gehen, und kommen dann an Bord. Vaarbewijs, Marifonbewijs, Flaggenzertifikat bitte. Es dauert ein bisschen, bis wir meine zwei einschlägigen Scheine unter unseren gesammelten Werken finden (Thomas hat zwei Binnenscheine und einen Seeschein, dazu drei Funkzeugnisse, ich einen Binnen-, einen See- und zwei Funkscheine).
Nachdem das geklärt ist, kommen die Herren zur Sache. Angeblich hätten sie uns mehrfach sowohl auf dem hier vorgeschriebenen Kanal 69 als auch auf Kanal 10 angefunkt, und wir hätten nicht geantwortet. Natürlich ist auf dem Funk bei diesem Verkehrsaufkommen ein permanentes Gelaber und Gerausche, da schalten wir dann schon mal auf Durchzug. Wir sind uns aber sicher, dass wir auf „AWOL“ oder „Sportboot“ reagiert hätten.
Es ist ja auch nicht so, dass in den letzten zwei Jahren mal irgendjemand außer einem Schleusenwärter versucht hätte, über Funk mit uns zu reden. Für die Berufsschifffahrt sind wir Luft, nicht existent. Untereinander sprechen sie sich ab, wer wen wann wie auf welcher Seite überholt, aber unsereins wird notfalls einfach untergepflügt. Egal, die Herren Wasserschutzpolizisten belehren uns streng, dass es hier voll gefährlich ist und die Schiffe öfter mal die Seiten wechseln (ach was!) und wir immer den richtigen Funkkanal eingestellt haben müssen.
Und weil sie grad dabei sind, darf ich mich noch einer Atemalkoholkontrolle unterziehen. Um ein Uhr mittags! Normalerweise würde ich den Test aus grundsätzlichen Erwägungen verweigern, aber wir müssen echt weiter. Na so ein Glück – heute das Mittagessen auf der Großschifffahrtsstraße mal nicht mit einem Aquavit runtergespült! Nach zwanzig Minuten werden wir dann entlassen. Das „Protokoll“ wird an unsere Postadresse geschickt. Thomas schaut im Bußgeldkatalog nach – 250 Euro. Hallo Holland, schön, wieder hier zu sein!


Nett ist dann aber unser Hafen in Zaltbommel, den wir für unsere hoffentlich letzte Übernachtung vor Rotterdam angesteuert haben. Vorausgesetzt, man zerschellt nicht bei der Einfahrt, was bei der Strömung durchaus anspruchsvoll ist, kann man hier gut und weiter hinten auch mit erstaunlich wenig Schwell liegen. Der Landstrom ist ein wenig schwach auf der Brust. Es sind zwar 16 A-Dosen, aber die Spannung ist so niedrig, dass unsere Batterien bis zum nächsten Morgen nicht vollständig aufgeladen sind. Liegt vielleicht an der ganzen hübschen Weihnachtsbeleuchtung, die fast alle Boote um uns herum tragen…
15. Dezember 2018: Von Zaltbommel nach Rotterdam (67 km, 6 h)
Die Nacht war trocken, und so sind weder die Stege gefroren noch unsere Scheiben vereist. Nicht einmal beschlagen sind die Scheiben, und so bleibt es erfreulicherweise den ganzen Tag. Dafür ist es eisigkalt. Bei Gorinchem geht die Waal in die Boven Merwede über. Eigentlich ist das noch der gleiche Fluss, in den wir bei Niffer eingebogen sind – keine Ahnung, warum der jetzt alle paar Kilometer anders heißen muss.

Hinter Gorinchem biegen wir dann rechts in die Beneden Merwede ein. Die Strömung ist hier deutlich geringer als auf der Waal, und als wir dann bei Dorchdrecht/Papendrecht den Verbindungskanal Noord nehmen, ist die Strömung ganz weg. Dafür ist hier sehr wenig los, nur der häufig verkehrende Waterbus verursacht fiese Wellen. Trotzdem erreichen wir relativ schnell die Maas. An der Mündung der Hollandse Ijssel liegt die kuriose Arche, ein ambitionierter Nachbau nach den biblischen Angaben. Darin befindet sich ein Bibel-Erlebnispark. Hinter der nächsten Kurve liegt sie dann vor uns, die Silhouette von Rotterdam.


Meine Euphorie steigt beträchtlich. Rotterdam hat die schönste Stadteinfahrt, die ich kenne, und es ist alles so vertraut. Mit großem Vergnügen fahre ich die Maasschleifen bis zur Erasmus Brug aus, um dann kurz vor der Brücke in den Koningshaven einzubiegen. Die Brücke vor der Marina wird für uns gehoben, und dann sind wir wieder im Entrepothaven – ein Gefühl wie Nachhausekommen.
Leider teilt uns der stellvertretende Hafenmeister mit, wir seien nicht angemeldet, und eigentlich hätte er auch keinen Platz für uns. WTF??? Wir machen mal fest, und ich marschiere ins Hafenbüro, um die Situation zu klären. Glücklicherweise habe ich die Bestätigungsmails, die uns einen Winterliegeplatz zusagen, und nach Rücksprache mit Dennis, dem Chef-Hafenmeister, findet sich dann auch ein Platz.
Bei mittlerweile recht frischem Wind manövriere ich die AWOL in die zugewiesene Box, nur um dann festzustellen, dass der Stegfinger viel zu kurz ist für uns – so kommen wir nicht vom Schiff, und schon gar nicht mit den Hunden. Wir könnten höchstens rückwärts einparken, aber drei Monate lang die Hunde über die blöde Treppe zur Badeplattform runterzuschleppen kommt nicht in Betracht. Ich also wieder ins Hafenbüro: „It’s not working.“ Erneute Rücksprache mit Dennis. Ein paar Plätze weiter hinten wäre noch was frei.
Eine Ortsbegehung zusammen mit dem Hafen-Heinz ergibt: Hier ist tatsächlich ein längerer Finger, das sollte funktionieren. Also erneutes Umlegen, und diesmal passt es wirklich. Hurra, nach 778 km und 55,5 Stunden Fahrzeit sind wir angekommen! Und gerade noch rechtzeitig vor dem Wintereinbruch…


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