5. bis 8. Oktober 2018 – St. Gilles bis Les Roches-de-Condrieu
Es läuft zunächst besser als erwartet
Vor der Fahrt auf der Rhône bergwärts – talwärts hatten wir ja bereits im Dezember 2017 – hatte Barbara großen Bammel wegen des durch den Frachtverkehr verursachten Schwells. Tatsächlich ist der Frachtverkehr auf der Rhône aufgrund des niedrigen Wasserstands (insbesondere auf der Saône) extrem stark eingeschränkt. Wir begegnen täglich nicht mehr als einem halben Dutzend Fracht- und Hotelschiffe. Deshalb stellt sich die Fahrt äußerst entspannt und ohne große Zwischenfälle dar – zumindest, was die Navigation angeht. Ungemach gibt es trotzdem.

Aufgrund des niedrigen Wasserstandes stimmen sämtliche Planungen und Berechnungen nicht mehr. Anstatt der erwarteten bis zu 10 km/h Gegenströmung treffen wir auf kaum spürbare Strömung. Zudem haben wir teilweise Rückenwind. Die Reisegeschwindigkeit liegt daher fast durchgehend bei 10 bis 12 km/h anstatt der eingeplanten 5 km/h. Wir kommen viel schneller voran als gedacht. Wir nutzen das und tuckern täglich viele Stunden Richtung Norden, um die Rhône bei gutem Wetter hinter uns zu bringen.



In lediglich vier Tagen reißen wir 262 Kilometer auf kleiner und großer Rhône runter und sind am 08. Oktober 2018 schon fast in Lyon. Wir passieren auf dieser Strecke 11 Großschifffahrtsschleusen.
Zum Zeitvertreib rechne ich, wieviel Wasser für uns bewegt wird, wenn wir geschleust werden. In der Schleuse Bollène (PK 190) zum Beispiel sind wir das einzige Boot. Das ist die Schleuse mit dem höchsten Hub in ganz Europa. 23 Meter werden wir hier nach oben gehoben. Die gesamte Schleuse wird für uns geleert und mit uns drin wieder befüllt. Die Schleuse ist mindestens 190 Meter lang und 6 Meter breit. Das wären dann ja über 26 Millionen Liter Wasser!





Das Problem mit den Liegeplätzen
Auf der Rhône ist es schwierig und stellenweise unmöglich, geeignete Anlegestellen zu finden. Wir nutzen deshalb gerne die Wartepontons vor oder hinter den Schleusen. Die sind stabil und leicht zugänglich, und die Wassertiefe stimmt immer. Mit den Hunden kommt man auch gut raus. Offiziell sind die natürlich nicht zum Übernachten gedacht, aber beschwert hat sich auch noch keiner bei uns.
Einen tollen Anleger finden wir am 05. Oktober 2018 bei Roquemaure. An einem 30 Meter langen Quai mit Ringen und einigen Pollern liegt schon das historische Flussboot eines Pärchens aus Freiburg/Frankfurt. Die haben sich mit ihrem 17 Meter Boot leider mittig hingelegt.
Sie ziehen ihr Boot aber sofort an ein Ende des Quais, damit wir Platz haben. Wir haben Mitleid mit den beiden, als wir deren Situation erkennen. Die haben bei ihrem Schiff vor kurzem den Stahlmast abgesägt, und der Wind hat den Stahlstaub auf dem gesamten Deck verteilt. Weil sie das nicht sofort weggefegt haben, hat das Deck unmittelbar an vielen Stellen angefangen zu rosten. (Diese Erkenntnis geht direkt in unsere Lernkurve ein. Merke: Metallspäne sofort wegfegen!) Als wir ankommen, sind sie gerade dabei, ihr gesamtes Boot zu streichen. Aufgrund des Winds fliegen ständig Blätter in die frische Farbe, und da es Abend wird, landen Insekten und kleben fest. Die beiden sind etwas verzweifelt und völlig mit Farbe beschmiert. Schließlich geben sie auf und tun sich was Gutes. Wir können den Grasgeruch über eine Entfernung von 20 Meter wahrnehmen.
Das ist aber nicht der Grund, warum Barbara nach dem Duschen mit leuchtenden Augen wieder an Deck auftaucht. Nein, sie hatte mit dem gegenüberliegenden Chateau de l’Hers im Abendlicht den, wie sie sagt, besten Duschblick ever, EVER.

Barbara kocht uns heute Linguine mit Poutargue aus Sète und geriebener Zitrone aus Port Camargue. Dafür müssen wir ein halbes Stündchen den Generator betreiben, sonst geht der Herd nicht. Dazu gibt es Wein aus Gruissan. Wahnsinnig lecker!

Yay! Überraschung!
Die folgende Nacht wollen wir an einem Warteponton der Schleuse Chateauneuf verbringen. Als Barbara nach dem Anlegen die Motoren abstellen will, die Überraschung: der Backbordmotor lässt sich erneut nicht ausmachen! Wir haben eine böse Vorahnung. Der beste Ort für eine Panne, an einer Schleuse im Nirgendwo! Ich krieche in den Maschinenraum und betätige den manuellen Abstellhebel an der Kraftstoffpumpe. Der Motor geht aus. Ich öffne die Abdeckung für die Batterie des Backbordmotors und Bingo. Erneut ist eine Befestigungsspange an der Batterie durchgeschmolzen und wurde sogar vom Kontakt abgesprengt. Die Spange war scheinbar so heiß, dass sie sich in das Kunststoffgehäuse des Batterieblocks geschmolzen hat. Großer Mist! Das legt uns lahm.


In der Abteilung „Lernkurve“ dieses Blogs haben wir schon Mutmaßungen angestellt zu den Ursachen dieses Defekts. Wir sind uns nun jedoch sicher, dass der Seitenstrahler am Heck in irgendeiner Form defekt ist und bei längerer Betätigung die Kontakte an der Batterie schmelzen lässt. Das beunruhigt uns sehr, wir denken zum Beispiel an mögliches Feuer im Motorraum. Wir beschließen, den fraglichen Seitenstrahler nun bis auf Weiteres gar nicht mehr zu nutzen. Aber was machen wir mit der Batterie, damit wir weiterfahren können? Nach einigem Grübeln kommt uns eine Lösungsidee. Wir basteln eine Überbrückung mit unserem Starthilfekabel. Das funktioniert und sollte halten, bis wir eine neue Batteriespange auftreiben können. Der Backbordmotor springt wieder an und lässt sich auch abstellen.


Leider sind wir nun eingeschränkt manövrierfähig mangels Heckseitenstrahler. Mancher Schiffer würde dies als Luxusproblem bezeichnen, da man mit entsprechendem Geschick auch ohne das Ding manövrieren kann. Tatsächlich haben viele kleinere Flussboote keinen Seitenstrahler am Heck, Schiffe unserer Länge allerdings meistens schon. Wir sind trotzdem zuversichtlich, auch für die anstehende Fahrt auf dem schmalen Kanal.
Zufrieden mit unserer Lösung beschließen wir den Tag mit einem Bierchen an Deck. Barbara kocht Pasta mit Tomaten-Kapern-Thunfischsauce. Wieder sehr lecker!
Yay! Noch eine Überraschung!
Am Morgen die nächste Überraschung. Nachts hat es heftig geregnet, an die 40 Liter pro Quadratmeter. Ich konnte das Geprassel über meinem Bett hören. Als ich morgens an Deck gehe, höre ich ein seltsames Geräusch aus dem linken Scheibenwischermotor. Es klingt wie ein elektrisches Bizzeln. Der Motor ist trocken und läuft nach Einschalten, aber macht im Ruhezustand Geräusche. Ich nehme die Sicherung mit der Aufschrift Scheibenwischer raus, und es bizzelt weiter. Komisch. Ich nehme die Sicherung vom Steuerstand raus, und es hört auf zu bizzeln. Offensichtlich wurde hier was falsch verkabelt, aber das spielt akut keine Rolle. Ich entdecke eine undichte Stelle an der Persenning und darunter hangeln sich Wassertropfen ins Innere. Diese tropfen auf den Steuerstand und laufen durch den Schalter des Scheibenwischers weiter nach unten. Also baue ich den Schalter aus und föhne ihn trocken. Das Bizzeln bleibt, und jetzt ist es mir auch Wurscht. Sind ja nur 12 Volt. Ich dichte aber die Leckstelle der Persenning noch mit Vaseline ab.


Als ich die Vaseline aus der Bilge hole, sehe ich, dass dieser Bilgenabschnitt unter Wasser steht, so 10 Zentimeter. Ist mir jetzt auch Wurscht. Wir wollen weiterfahren und pumpen ohne Ursachenforschung einfach mal aus. Wir meinen, die Hebepumpe der Heckdusche könnte mal wieder undicht sein, und verschieben das Problem auf später.

In den Hafen von Épervière bei Valence fahren wir am Abend des 7. Oktober 2018 bei frischem Nordwind ein und schweißgebadet rückwärts wieder raus. Beinahe hätten wir wegen des Windversatzes ein paar Boote abgeräumt – ohne Heckseitenstrahler ist unser Koloss bei Wind echt nicht toll manövrierbar. Wir bleiben über Nacht an der Bootstankstelle an der Hafeneinfahrt, weil die eh geschlossen ist. Ich koche Rührei mit Mais, Zucchini, Zwiebel und Käse. Dazu gibt es Vollkornbrot mit Butter und wieder Wein aus Gruissan. Finden wir auch sehr lecker.

Auf dem Weg Richtung Les Roches-de-Condrieu, unserem nächsten und voraussichtlich letzten Halt auf der Rhône, in der Schleuse Sablons (PK 60), kommen wir gehörig ins Schwitzen. Die Schleusen werden durch Öffnungen von unten mit Wasser befüllt. Leider kann man vorher nicht erkennen, an welcher Stelle das passiert, und wir erwischen diesmal einen ungünstigen Poller. Das Wasser strömt sehr schnell von der gegenüberliegenden Seite her ein und presst die A.W.O.L. so stark an die Schleusenwand, dass die Fender komplett plattgedrückt werden und sogar die Scheuerleiste und die Reling an der Wand schleifen. Wir warten nur darauf, dass die Leinen der Fender reissen oder die Halteleine durchgewetzt wird, die sich zwischen Scheuerleiste und Schleusenwand verklemmt hat. Keine Chance, das Boot von der Wand wegzudrücken. Es geht nochmal alles gut, aber Fender und Leinen sehen nicht mehr schön aus.

Fahrt auf der Rhone im Einzelnen:
05.10.2018 Roquemaure (PK 225) > 78 km > 3 Schleusen > 9:25 Stunden
06.10.2018 Schleuse Chateauneuf (PK 164) > 61 km > 3 Schleusen > 7:50 Stunden
07.10.2018 Valence Épervière Hafen (PK 112) > 52 km > 2 Schleusen > 7,50 Stunden
08.10.2018 Les Roches-de-Condrieu Hafen (PK 41) > 71km > 3 Schleusen > 8,50 Stunden
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