19. Juni 2019 – Auf dem Mittellandkanal von Hannover nach Bortfeld 50 km – 5,5, h – 1 Schleuse – 1 Hebebrücke an der Hafeneinfahrt
Am 19.06.2019 morgens brechen wir gezwungenermaßen aus Hannover auf. Wir wären gerne noch länger geblieben, aber alle Liegeplätze sind vergeben.
In der beeindruckenden Hindenburgschleuse bei Kilometer 174 auf dem Mittellandkanal kurz hinter Hannover geht es für uns fast 15 Meter nach oben. Es fehlen mal wieder die Schwimmpoller. Das heißt neunmal Leinen umlegen. Die Schleuse wurde im Jahr 1928 durch Hindenburg eingeweiht. Aus dieser Zeit stammt auch die ursprüngliche Namensgebung. Später fand man, Hindenburg sei das Steigeisen der Nazis gewesen und hätte Hitler zur Macht verholfen. Wahrscheinlich war er nur dement. Die Schleuse hieß jedenfalls fortan offiziell Anderten. Das Hindenburgschild steht aber auch heute noch.



Auf einigen Abschnitten wurde der Mittellandkanal ausgebaut. In diesem Zusammenhang wurden abgesenkte Spundwände unter der Wasseroberfläche errichtet. Das soll es Kleintieren ermöglichen, aus dem Kanal zu klettern – bei den hohen Spundwänden geht das nicht, und sie ertrinken. Vom Boot aus sind diese Bauwerke nicht zu sehen, aber angeblich in der Lage, ein Sportboot bei Kontakt aufzuschlitzen und zu versenken. Die betreffenden Abschnitte sind durch Hinweisschilder und manchmal durch Tonnen markiert. Also nicht zu nah ran, lautet die Devise. Dies ist angesichts einiger rücksichtsloser Frachtschiffkapitäne manchmal nicht so leicht zu bewerkstelligen. Lernt der Kapitän eines 100-Meter-Tankschiffs eigentlich nicht in der Ausbildung, wie stark ein kleines Sportboot versetzt und verdrängt wird, wenn er zu nahe ran fährt?

Während „Ende Gelände“ exakt in diesen Stunden den Tagebau in Garzweiler blockiert, passieren wir das Kohlekraftwerk Mehrum bei Kilometer 194 auf dem MLK. Mehrum ist bäh bäh! Mehrum hat eine Bruttoleistung von 750 Megawatt. Der Wirkungsgrad liegt bei kümmerlichen 40,5%. Es sind lediglich 110 Menschen hier beschäftigt. Auch erwirtschaftet das Kraftwerk bis zu 15 Mio Euro Verlust pro Jahr. Dafür werden 2,5 Millionen Kubikmeter Rauchgas und 24 Tonnen Flugasche im Jahr ausgestoßen. Nur weiter so…
Im Hafen des Kohlekraftwerks Mehrum liegen riesige Kohleberge herum. Dahinter stehen ein paar Windkraftanlagen. Politiker der AfD, dieser „Alternative“ für Deutschland, finden Windkraft ja nicht so toll. Es wurde auch schon mal argumentiert, die Windräder wirkten wie Ventilatoren und leiteten den Jetstream um oder verstärkten den Wind. Die AfD würde hier wahrscheinlich annehmen, die Windräder seien zum Trockenföhnen der Kohle da.


Nach 50 Kilometern, einer Schleuse, fünfeinhalb Stunden Fahrt und einer letzten Hebebrücke fahren wir an der Abzweigung des Stichkanals Salzgitter bei Kilometer 214 in die Marina Bortfeld ein. Die Hubbrücke öffnet der Hafenmeister auf telefonischen Zuruf (Mobil Hafenmeister: 0160 67 00 673). Beim Einparken zeigt sich, wie flach das Wasser hier ist, Barbara wirbelt mit den Propellern ordentlich Schlamm auf.



Es ist heiß heute. Die Hunde hecheln. Aktuell kommt die Wärme von unten (Maschinenraum) und von oben (Sonne). Wir verbinden schnell mit dem Landstrom und werfen die Klimaanlage an. Es kommt 28 Grad warme Luft aus der Anlage. Uns wird hier erstmals wirklich klar, dass die Luft für die Klimaanlage aus dem Motorraum angesaugt und dann bestmöglich abgekühlt wird. Da es nach der Fahrt im Maschinenraum aber über 40 Grad hat, ist der Effekt minimal. Wieder eine Meisterleistung des Ingenieurs. Kommt auf die Liste fürs nächste Refit. Die Ersatzlösung muss her. Die Hunde bekommen ihre Kühlhandtücher. Der Verdunstungseffekt eines nassen Handtuchs kühlt gut runter und wird gern angenommen.

In der Marina Bortfeld und dem umgebenden Baggersee fühlt man sich ein wenig wie in einer US-amerikanischen Gated Community. Rund um den See herum wurden sehr repräsentative Villen errichtet, gut abgeschottet. Auf der einzigen Zufahrtstraße fahren nur potente PKWs der Oberklassemarken. Man ist unter sich in diesem Bonzenviertel samt Marina und privaten Bootsanlegern. Das kleine Hafenrestaurant namens Havarie, eher ein Kiosk mit schweren Holztischen und Stühlen auf einer großen Terrasse mit Blick über den See, gefällt uns gut. Die Frau des Hafenmeisters kocht hier, und zwar exzellent. Selten so tolle selbst gemachte Ravioli gegessen. Wir trinken Bier und genießen die hysterische Wetterstimmung. Ein schweres Gewitter zieht haarscharf an uns vorbei.



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