BOOT Düsseldorf 2019
Männer haben es heutzutage schwer. Das Auto, heiligstes Gut und Ausdruck der Potenz, ist bedroht. Jetzt auch noch durch die Diskussion um Tempolimits und Fahrverbote, aber schon vorher war es nicht mehr das, was es mal war. Denn auch Frauen dürfen Autos fahren und sogar selbst welche besitzen.
Beim Boot ist das anders, da ist die Welt noch in Ordnung. Der Besitz und das Führen eines Motorbootes durch eine Frau sind zwar nicht direkt illegal, kommen aber in der Praxis äußerst selten vor. Ich spreche hier von der Sportschifferei, wohlgemerkt, denn in der Berufsschifffahrt ist der Frauenanteil unter den SchiffsführerInnen gar nicht so gering. Das Sportboot jedoch ist reine Männersache.
Bereits zu Beginn meiner Sportschifferinnenlaufbahn war ich mir relativ sicher, dass die Komplimente, die ich regelmäßig für Anlegemanöver bekam, nichts mit der Schönheit der Manöver zu tun hatten. Heute weiß ich definitiv: Das Lob gilt dem Umstand, dass ich sämtliche Manöver ohne das wichtigste aller Navigationsinstrumente durchführe – einen Penis.
Für den Hafenmeister vom Vieux Port de Marseille war es damals zum Beispiel eine unumstößliche Tatsache, dass unser Boot nicht um zwanzig Meter versetzt werden konnte, solange der Gatte in Deutschland weilte. Mir dabei mit den Leinen zur Hand zu gehen, hätte er wohl – mon Dieu! – als Verrat an der männlichen Solidargemeinschaft empfunden.
Entsprechend fällt mein (penisloser) Besuch auf der BOOT Düsseldorf aus. In der U-Bahn reist das Messevolk in der Regel noch paarweise an. Unmittelbar hinter dem Eingangsdrehkreuz teilen sich die Geschlechter dann auf. Die Damen streben in die Segelbekleidungs- und Schnickschnackabteilungen, auch auf den Matratzen-und Polsterständen sieht man welche, während die Männer die kürzeste Route in die Motorenhalle nehmen.
„Naturgemäß“ finde ich an technischen Ständen wenig Gehör. Solange ein männlicher Besucher am Stand ist, wird automatisch davon ausgegangen, dass ich der dazugehörige Anhang bin. Ich muss relativ viel Energie darauf verwenden, als potentielle Kundin wahrgenommen zu werden. Während ich an einem der Stände gerade hochkonzentriert einen Relingaufbau inspiziere, umkreist mich ein Berater mit einem Porzellanset: Ob ich schon mal rutschfestes Porzellan gesehen hätte? Bei North Silver, dem russischen Hersteller meines diesjährigen Lieblingsboots, falle ich aus mehreren Gründen durchs Wahrnehmungsraster: Jeans statt Minirock, Sneakers statt Stöckelschuhe, Eintracht Frankfurt-Hoodie statt Pelzjäckchen und dann halt auch noch generell Frau – da hätte wahrscheinlich nur noch ein energisches Wedeln mit der schwarzen American Express Card geholfen (aber das Boot – Hammer!).
In der Superyachten-Halle wird verkaufsfördernd aufdringliches Damenparfüm durch die Klimaanlage geblasen. Dass so eine Yacht gleich viel schöner aussieht, wenn eine langbeinige junge Frau davor steht, ist ein alter, aber nach wie vor gerne getragener Hut. Wobei, die holländischen und finnischen Stahlverdränger-Werften kriegen ihre Schiffe auch ohne das Frischfleischgedöns verkauft. Wir von der Stahlverdränger-Fraktion sind halt doch noch einen Tacken bodenständiger als die Anhänger der italienischen oder britischen Luxusplastikschüsseln…
Wahrscheinlich ist das mit den fehlenden Sportbootkapitäninnen auch eine Generationenfrage. So ein Boot schaffen sich die Leute doch eher im fortgeschrittenen Alter an. Und es sind ja nicht nur die Herren, die der klassischen Rollenverteilung anhängen. Sehr viele der Damen übernehmen lieber die schwere Drecksarbeit an den Leinen als die Verantwortung für das Boot. Mal ganz ehrlich – das macht überhaupt keinen Sinn, Mädels! Ich habe die leise Hoffnung, dass spätestens in der Generation unserer jetzt 24-jährigen Tochter auch diese Männerdomäne vom Wind der Gleichberechtigung durchhaucht wird. Das Kind stellt sich beim Bootfahren jedenfalls schon mal gar nicht so schlecht an.
Und ich muss noch lobend erwähnen, dass sowohl Thomas, mein Mann, als auch Schorsch, mein Vater, über genug männliche Souveränität verfügen, um sich von mir durch die Gegend chauffieren zu lassen und die „niederen Dienste“ an den Leinen zu verrichten.
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