Von Potsdam über Berlin-Pichelsdorf nach Tempelhof – 30./31. Juli 2019 – 55 km – 1 Schleuse – 7,5 h

Das hat man davon, wenn man so lang an einem Ort bleibt: Bei der Abfahrt kommt Wehmut auf. Aber auf dem Rückweg werden wir auf jeden Fall nochmal ein paar Tage in Potsdam anhalten.
Heute geht es nach Berlin-Pichelsdorf. Nein, das ist kein toller Geheimtipp, wir haben dort einen Werkstatttermin bei boatoon. Unser Raymarine Plotter muss ausgetauscht werden, weil beim alten, wie berichtet, die Bildschirmhinterleuchtung kaputt ist. Und da unser Radar analog ist und nicht mit dem neuen Plotter kommunizieren kann, muss der auch ersetzt werden. Wir möchten auf unserer Spätherbst-Reise Richtung Antwerpen nicht wieder blind im Nebel rumirren wie letztes Jahr!
Von Potsdam aus sind es 16 Kilometer, also keine zwei Stunden Fahrt. Durch die Glienicker Brücke fahren wir in den Jungfernsee, dann vorbei an der Heilandskirche bei Sacrow und der Pfaueninsel die Havel hoch Richtung Spandau. Schöne Strecke, aber leider schlechtes Fotowetter – und das Schloss auf der Pfaueninsel wird gerade renoviert, also nix zu sehen dort. Erstmals haben wir hier wieder Frachtverkehr. Es sind ziemlich große Kähne, die von der Spree-Oder-Wasserstraße kommend über den Jungfernsee Richtung Mittellandkanal oder Elbe schippern (und umgekehrt natürlich).




Der Umbau der Raymarine-Geräte geht zügig vonstatten, so dass wir schon um zwei fertig sind. Netterweise dürfen wir trotzdem über Nacht liegenbleiben, denn für Tempelhof sind wir erst tags darauf angemeldet. Thomas erkundet joggend die Umgebung und ist sehr angetan von den Tiefwerder Wiesen, einem unter Landschaftsschutz stehenden Feuchtwiesengebiet, das ein Stück weiter nördlich an die Havel grenzt.



Schlechte Nachricht hingegen aus Berlin: dem Kind wurde das leihweise überlassene mütterliche Mountainbike geklaut – vor der Haustür in Friedrichshain das Schloss aufgeflext! Trotz der kriminellen Bedrohungslage machen wir uns am nächsten Morgen auf Richtung Teltow-Kanal. Ursprünglich wollten wir, wo wir schon hier sind, einfach in Spandau Richtung Spree abbiegen und uns die 24-Stunden-Anleger entlang durch Berlin hangeln. Dort gibt es aber keinen Landstrom, und es steht wieder eine Hitzewelle bevor. Deswegen haben wir für ein paar Tage Hafen Tempelhof gebucht und verschieben die Spree-Tour auf den Rückweg.



Wir müssen den ganzen Weg wieder zurück bis zur Glienicker Brücke und biegen dann links in den Griebnitzsee ein. Das gibt Thomas die Gelegenheit, nach dem Drehort von Jerks zu fahnden – das Haus, in dem Fahri Yardim in der Serie wohnt, steht dort irgendwo am Ufer. Und weit hinten auf dem See werden wir auch fündig. Das ist aber auch echt fast das einzige schöne Haus da – sonst überwiegend düstere, schwarzwaldisierende Kästen mit DDR-Bonzen-Mief an diesem hübschen schmalen See.

Wir fahren genau auf dem ehemaligen innerdeutschen Grenzverlauf entlang. Zu beiden Seiten des Teltow-Kanals kann man noch die Überreste des Eisernen Vorhangs sehen.



An der Schleuse Kleinmachnow ist Stau. Es warten zwei Frachter vor uns, und während die beiden (jeweils einzeln) hochgeschleust werden, kommt noch ein dritter an, der natürlich ebenfalls Vorrang hat. Dann noch eine Schleuse voller Sportboote, die alle auch vor uns da waren. Zwei Stunden dauert es, bis wir dran sind. Für die Wartezeit machen wir notdürftig an den Berufsschifffahrtsdalben fest, denn die Sportboot-Wartestelle ist völlig unterdimensioniert.

Während wir warten, geht Peter mit seinem Schiff bei uns längsseits. Er ist sehr an unserem Boot interessiert, denn er hatte auch mal den Kauf einer gebrauchten Siemer-Yacht in Erwägung gezogen. Wie sich herausstellt, war das genau unser Boot. Da er es nie live besichtigen konnte, holt er das nun nach. Peter wohnt auch auf seinem Boot, und zwar im Tempelhofer Hafen.

Der Tempelhofer Hafen liegt ziemlich gut. Direkt am Hafenbecken in den historischen Lagerhäusern befindet sich ein großes Einkaufszentrum mit riesigem EDEKA und darüber ein Ableger der Bio Company, die wir in Potsdam so lieb gewonnen haben. Zur U-Bahnstation Ullsteinstraße sind es gerade mal zwei Minuten. Tempelhof ist jetzt nicht der schönste aller Berliner Stadtteile, aber es gibt trotzdem etliche spannende Ecken. Für unser Zwergerl ist die Lage auch ganz kommod, und so haben wir noch ein bisschen was vom Kind.


Es ist höllisch heiß die Tage, inklusive heftiger Unwetter, und da wir Berlin ziemlich gut kennen, fühlen wir uns nicht zu Erkundungen getrieben. Zu einigen wenigen Ausflügen können wir uns aber doch aufraffen. Zum Beispiel sind es nur ein paar Stationen mit der U-Bahn nach Kreuzberg, und wir gönnen uns einen Lunch im Umami, meinem Berliner Lieblingsvietnamesen. Danach kaufen wir ganz hervorragenden Kaffee bei Barcomi’s und gehen eine Runde ausgebrannte Mittel- und Oberklasselimousinen gucken. „Während der Bonze noch pennt, sein Auto schon brennt“, lautet das zugehörige Graffito. Im durchgentrifizierten Bergmann-Kiez kommt der Anblick von rund zehn abgefackelten Pkws etwas überraschend.



Thomas hat wieder eine schöne Jogging-Strecke entdeckt. Er läuft direkt am Teltow-Kanal entlang in die Richtung, aus der wir gekommen sind, und auf der anderen Seite über den Marienpark wieder zurück.



An unserem Steg liegt ein schönes großes Wohnboot aus der Schweiz. Weil Peter schon erzählt hat, dass wir auch auf dem Boot wohnen, kommen wir schnell mit dem Eigner ins Gespräch. Als Thomas unserer Schweizer Freundin Ingrid, Stegnachbarin letzten Sommer in Gruissan, ein Bild von unserem Liegeplatz schickt, identifiziert sie sofort das Baseler Boot und bestellt schöne Grüße an Edi und Nina, gute Bekannte von ihr. Ja, die Bootsfahrer-Welt ist wirklich klein, was sicherlich damit zu tun hat, dass man bei der Fortbewegung doch auf die immergleichen Strecken angewiesen ist…
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