17. bis 20. August 2019: Von Köpenick über Schmöckwitz nach Teupitz – 57 km – 7 Stunden – 1 Schleuse – 1 Hebebrücke
Beim Anker einholen am nächsten Morgen wundert sich der Gatte. Die Winde kurbelt und kurbelt, auch die Kette rattert und rattert, aber der Anker kommt nicht. Hat Thomas wirklich so viel Kette gelassen am Vortag? Urplötzlich durchbricht der Anker die Wasseroberfläche. Nach einer kurzen Schrecksekunde wirft sich mein Mann weg vor Lachen und winkt mich nach vorn. Der Anker ist komplett in einen riesigen, fast kugelrunden schwarzen Moorbatzen gehüllt – kein Wunder, dass er ihn nicht hat kommen sehen!
Es gibt nur einen sinnvollen Hafen in unserer Fahrtrichtung, der auch noch Platz für uns hat: Schmöckwitz. Das ist der unterste südliche Zipfel von Berlin, unmittelbar an der Grenze zu Brandenburg. Die Fahrt dorthin ist nachgerade unspektakulär, ebenso wie Schmöckwitz selbst. Der Hafen ist aber sehr sympathisch und recht komfortabel mit REWE und Straßentankstelle in unmittelbarer Nähe.

Da wir allerlei zu erledigen haben und ich am ersten Bundesligaspieltag auch gerne jedes einzelne Spiel gucke, bleiben wir übers Wochenende. Wir quatschen viel mit dem sehr netten Hafenmeister sowie Ingo, unserem Nachbarn, der fest im Hafen lebt. Falls jemand mal einen Skipper im Großraum Berlin braucht – mit Ingo wird’s bestimmt nicht langweilig!
Schmöckwitz und Eichwalde, der Nachbarort in Brandenburg, gehen fließend ineinander über. Die Grenze zwischen den Bundesländern ist nicht markiert, aber man kann sie problemlos anhand des Zustands der Bebauung erkennen. Auf der Berliner Seite herrschen Trostlosigkeit und Verfall. Quasi auf der anderen Straßenseite findet man spießige Gediegenheit inmitten weitläufiger Kierfernwälder. Auf welcher Seite der Straße die einschlägig auftätowierten Nazis wohnen, die man unter anderem im Supermarkt betrachten kann, kann man nur vermuten. Man ist ja immer geneigt, dieses Phänomen Brandenburg zuzuordnen, aber in dem Fall sieht es fast umgekehrt aus.


Am 19. August fahren wir weiter Richtung Südosten. Hier reihen sich unzählige kleine Seen aneinander, verbunden durch die Dahme. Das ist nun wieder ausgesprochen hübsch. Rechterhand zweigt bei Königs-Wusterhausen der Nottekanal ab, der leider mit unseren Abmessungen nicht befahrbar ist. Gleich hinter der Abzweigung liegt die einzige Schleuse auf dieser Strecke, die Schleuse Neue Mühle. Hierfür sollte man viel Zeit einplanen, insbesondere am Wochenende, denn sie ist klein und langsam, und der Sportbootverkehr ist durchaus dicht.







Danach durchqueren wir den Krüpelsee, den Dolgensee, den Schmöldesee und den Hölzernen See, bis wir im Klein Köriser See einen tollen Ankerplatz entdecken. Auch davor hätte es schon malerische Plätze zum Ankern gegeben, aber wir brauchen ja auch immer eine Stelle, an der wir mit den Hunden an Land gehen können. Hier ist alles perfekt, und wir verbringen eine sehr geruhsame Nacht.
Naja, perfekt – einen Haken hat die Sache mit dem Ankern: Herr Schmidt ist nicht gern in der Natur. Nachdem ich ihn in der kleinen Bucht angelandet habe, rennt er jammernd und fluchend durch den Wald und findet einfach keine Stelle, um sich zu erleichtern. Er ist überzeugter Stadthund und braucht Laternen, Stromkästen und andere zivilisatorische Errungenschaften, die er markieren kann. Hier will er einfach bloß weg.



Am nächsten Morgen cruisen wir dann durch den Kleinen und den Großen Moddersee, bevor wir die Zugbrücke über den Kanalgraben erreichen. Hier kommt es auf gutes Timing an, denn die Brücke wird nur jeweils zur vollen Stunde geöffnet, und man kann für die Wartezeit nicht wirklich anlegen. Die Durchfahrt durch die geöffnete Brücke ist für ein Boot unserer Größe durchaus anspruchsvoll – viel breiter und/oder höher dürfte der Aufbau nicht sein, sonst würden wir mit der Persenning hängenbleiben. Dabei haben wir eh schon den Mast gelegt und die Persenning deutlich abgesenkt.





Anschließend durchqueren wir den Schulzensee, den Zemminsee und den Schweriner See (nein, nicht den in Meck-Pomm), bis wir den vergleichsweise großen Teupitzer See erreichen. Er bildet das untere Ende der Seenkette, hier kann man nur noch umdrehen. Oder natürlich anlegen.
In Teupitz gibt es einen netten kleinen Hafen am Steg der Schiffahrtsgesellschaft. Von hier aus bricht zweimal am Tag ein Passagierschiff zu einer Dahme-Rundfahrt auf. Die Rundfahrten sind gut gebucht, so dass auf dem Steg dreimal am Tag Hochbetrieb herrscht. Ansonsten ist es ausgesprochen ruhig.
Will man zum Hafenmeister oder den Sanitäreinrichtungen, Luftlinie keine 50 Meter weg, muss man den Weg vom Anleger hochlaufen bis zur Dorfstraße, rechts die Straße lang und bei der Gaststätte wieder runter zum See. Dazwischen liegen nämlich zwei Privatgrundstücke, die man nicht betreten kann.




Teupitz scheint nicht nur in schifffahrtstechnischer Hinsicht eine Sackgasse zu sein. Komplette Straßenzüge stehen leer, die Scheiben eingeworfen. Während die AfD ihre Wahlplakate („Holt euch euer Land zurück!“) in Potsdam nur an sehr, sehr hohen Laternen anbringen kann, und zwar ganz oben, scheint es in Teupitz diesbezüglich kein Vandalismusproblem zu geben. Hier hängen vergleichsweise gemäßigte Plakate in Reichweite und sind allesamt unversehrt. 24,1 % werden die Rechten hier am 1. September einfahren und damit ganz knapp als zweitstärkste Partei hinter der SPD landen.




Kulinarisch hat Teupitz einen abgeranzten Netto-Markt und ein kleines Ausflugslokal am Hafen zu bieten, letzteres allerdings mit nettem Service und gar nicht so schlechtem Essen. Ach ja, und der Hafenmeister räuchert jeden Tag frische Forellen (leider nicht von hier) und Käse (leider auch nicht von hier, sondern aus Gouda) vor Ort.


Thomas findet eine hübsche Jogging-Runde um den Tornower See. Mit dem Boot kämen wir da mangels Zufahrt nicht hin.




Und dann gibt es da halt die Landesirrenanstalt. Die entdecke ich zufällig beim Googeln, weil mir die Bilder ins Auge stechen. Wir sind große Fans von Lost Places, also verlassenen Bauwerken, die dem Verfall preisgegeben sind. Die riesige und damals angeblich sehr moderne Landesirrenanstalt Teupitz wurde 1908 als Psychiatrieeinrichtung in Betrieb genommen. Während der NS-Zeit wurden dort auch viele Menschen zwischenzeitlich untergebracht, die für das Euthanasieprogramm vorgesehen waren. Zu DDR-Zeiten war das Gelände zweigeteilt. Der kleinere Teil wurde als DDR-Nervenklinik genutzt, der größere Teil als Sowjet-Klinik.
Der ehemalige DDR-Teil wird heute von Asklepios weiterhin als psychiatrische Einrichtung betrieben und umfasst auch einen Hochsicherheitstrakt, von den Einheimischen liebevoll „Jurassic Park“ genannt. Der sowjetische Teil hingegen steht seit dem Truppenabzug leer. Diverse Entwicklungsprojekte scheiterten. Das Gelände ist natürlich nicht offiziell zugänglich. Große Tafeln warnen allenthalben vor dem Betreten, aber es wird auch nicht sehr viel Energie auf die Instandhaltung der Einfriedungen verwendet. Damit niemand Hausfriedensbruch begehen muss, hier genug Bilder, um sich auch so einen Eindruck zu verschaffen.






















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