1. Juli 2019: Von Brandenburg nach Ketzin auf der Havel – 23 km – 3 h – 1 Schleuse
Der letzte Abend in Brandenburg ist noch recht interessant. Während ich bei über 30° C und heißem Wind an Deck sitze und das U21-EM-Finale gucke, wird es allmählich diesig, und es hängt ein Geruch nach Holzfeuer in der Luft. Thomas mit seinem feinen Näschen ist sich nach relativ kurzer Zeit sicher, das müsse ein Waldbrand sein. Noch vor Abpfiff gibt es dann auch die ersten Nachrichten im Internet. Waldbrand in Lübtheen – der größte in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns, wie später bekannt wird. Der Wind ist stark und trägt die Rauschschwaden weit übers Land. Die Aufforderung, sich in Brandenburg nicht im Freien aufzuhalten und die Fenster zu schließen, ignoriere ich, denn die Stimmung ist zu toll (und viel spannender als das Finale).


Die Fahrt von Brandenburg nach Ketzin/Havel ist kurz und nett. Für die Vorstadt-Schleuse in Brandenburg sollte man großzügig Zeit einplanen. Erstens ist sie endlangsam, zweitens sind wir mitten im Charterrevier. Man kann hier riesige Boote ohne Führerschein mieten, und der drei-Stunden-Einführungskurs beinhaltet nicht das Einfahren und Festmachen in Schleusen, jedenfalls nicht in der Praxis. Entsprechend lang dauert es, bis alle drinnen und an den Pollern liegen.

Danach tuckern wir gemütlich auf der Havel dahin, die sich immer wieder zu kleinen Seen weitet. An den Ufern viel Schilf, viel Naturschutzgebiet. Obwohl wir schon mittags ankommen, können wir gerade noch die letzte freie Box am Wasserwanderrastplatz Ketzin ergattern. Den Rest des Tages laufen viele Boote ein, drehen suchend eine Runde und fahren wieder raus oder ankern im See. Offiziell gibt es hier mehrere Plätze für Boote unserer Größe, de facto nur einen einzigen am Außensteg, und der ist belegt. Unsere Box ist offiziell für zwei kleine Boote gedacht.

1. bis 3. Juli 2019 Ketzin
Ich bin ein Opfer der deutschen Gymnasialbildung. Der Besuch eines Friedhofs im Havelland genügt, um mich zu triggern. Seit gestern habe ich ein unstillbares Bedürfnis nach Birnen.
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, Ein Birnbaum in seinem Garten stand…
Theodor Fontane
Und weiter? Obwohl ich das Fontane-Gedicht zweimal lernen musste – einmal selbst, einmal mit dem Kind zusammen -, ist mir der übrige Text entfallen. Was mir aber offenbar im sensorischen Gedächtnis geblieben ist, ist der Geschmack von süßen, saftigen Birnen, den ich mit dem Gedicht verbinde. Die Havelland-Birnen sind aber leider noch nicht reif.

Seit wir im Osten sind, bin ich froh, neben meinem neuen Hollandrad (einem „Oma Fiets“, wie die Holländer das nennen) noch das Mountainbike an Bord zu haben. Die uralten Kopfsteinpflaster, die hier überall noch rumliegen, sind zwar wunderschön, aber nicht arg radtauglich. Das erinnert mich an die Zeit nach der Wende, wo man ohne Vorwarnung auf kopfsteingepflasterten Autobahnausfahrten landen konnte – das dürfte jetzt nach 30 Jahren wahrscheinlich überwunden sein.



Was mir hier in der Gegend auffällt, sind die wunderschönen alten landwirtschaftlichen Ziegelbauten, die einen eher an Italien denken lassen. Erstaunlich wenige von diesen Stallungen und Scheuen sind zu Wohnhäusern umgebaut. Die allermeisten dienen heute als Garagen und Abstellkammern.


Vom WWRP Ketzin aus ist man mit dem Fahrrad in zehn Minuten am Schloss Paretz (Betonung auf der zweiten Silbe). Dieses ist insofern sehr interessant, als dass es kein typisches Prunkschloss ist, ganz im Gegenteil. Friedrich Wilhelm III. und seine Gattin Luise ließen es ab 1797 an Stelle eines vorhandenen Gutes als Sommerrefugium errichten. Es war sehr schlicht und funktional gehalten, und darum herum wurde ein landwirtschaftliches Musterdorf errichtet. Zu DDR-Zeiten wurde das Schloss zweckentfremdet und mehrfach umgebaut, aber nach der Wende hat man sich bemüht, den baulichen Originalzustand wieder herzustellen. Die Inneneinrichtung ist weitestgehend verloren gegangen, aber was zum Teil gerettet und wiederhergestellt werden konnte, sind die ganz außerordentlichen Papiertapeten. Das Dorf steht im Großen und Ganzen auch noch.








Auch interessant ist die Kliemsiedlung, ein Stadtteil von Ketzin. Auf der Karte sieht es zunächst so aus, als wäre der Wohnraum hier dem Sumpf abgetrotzt worden, ein bisschen wie in Florida. Tatsächlich geht die Landschaftsform aber auf eine traditionelle Industrie Ketzins seit dem 19. Jahrhundert zurück, die Ziegelherstellung. Dafür wurde der örtliche Ton abgebaut, und die bis zu 30 Meter tiefen Gruben füllten sich mit Wasser.


Es ist nicht mehr so heiß und eine gute Gelegenheit, mal wieder ein paar kleine Reparaturen außen am Boot zu erledigen. Während Thomas zwei Gummileisten remontiert, wird er von unserer Nachbarin angesprochen. Dieser Yachthafen in Plaue sei echt so schrecklich? Der Gatte ist kurz verwirrt, denn er ist sich sicher, mit diesen Nachbarn bisher nur Begrüßungsfloskeln ausgetauscht zu haben. Dann fällt ihm aber ein, dass wir seit kurzem einen Schriftzug an der Relingverkleidung haben, der auf unseren Blog hinweist. Es ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, wenn wildfremde Leute so viel über unser Leben wissen, aber es freut uns natürlich riesig, dass der Blog auf eine interessierte Leserschaft stößt! Also sprecht uns nur an, Leute!
Hallo Barbara, Hallo Thomas.
Hier kommt der erste Kommentar von der „da liegen ja wir“ auch „after Flying“ genannt. Bei dem Treffen in Datteln haben wir gesagt, dass wir auch in Richtung Berlin fahren, haben unsere Meinung aber durch den Stress mit unserer Messi-Mieterin geändert. Die Saison ist halb rum, so fahren wir über Antwerpen in Richtung Friesland. Wir hätten Euch gern getroffen und Erfahrungen ausgetauscht. Ich schlage vor, dies schriftlich zu machen.
Unser letztes Problem war das Steuerrad. Das hat man schon mal in der Hand. Das hat man schon mal in der Hand, aber richtig in der Hand. Hatte sich von der Ruderanlage gelöst. Natürlich vor der Schleuse. Schleusung abgebrochen, provisorisch wieder angeschraubt, ein Teil neu drehen lassen und mit Metallkleber wieder eingesetzt. Wenn Ihr auch Probleme habt, nenne ich Euch gern Details.
Thema Wasser in der Bilge: hattet Ihr im Winter: Habt Ihr mal in die Ruderanlage unterm Bett wasserfestes Fett in den Nippel reingespritzt? Ebenso an der Wellenabdichtung. Übrigens wenn Ihr die noch nicht ausgetauscht habt fragt mal einen Fachmann. Unser Mechaniker sagt uns, die muss man alle 10 Jahre austauschen, wenn die defekt wird, kann das Schiff absaufen. Fenster: Vor 5 Jahren ein großes Fenster undicht, Holz verfault musste erneuert werden. Mittlerweile alle kleinen und 3 große Fenster neu abgedichtet. Wird spätestens notwendig, wenn Ihr dunkle Flecken im Holz seht. Habt Ihr mal Hydrauliköl am Steuerrad aufgefüllt?
Wir sind jetzt dabei kleinere Macken mit „unserer Airbrush Technik“ auszubessern, Geht ganz gut.
Wir fahren morgen nach Holland. Wir würden uns über Eure Erfahrungen freuen.
SuB