Mitte April 2019
Es wird Frühling in Rotterdam. Was wir aufgrund flackernder Fernseher, hinterleuchteter Bullaugen und der romantischen Weihnachtsbeleuchtung auf und unter Deck den ganzen Winter überwiegend nur vermuten konnten, bestätigt sich – auf vielen Booten im Entrepothaven leben tatsächlich dauerhaft Menschen. Bei den winterlichen nicht einmal 8 Stunden Tageslicht und ungemütlich nasskalter Witterung hier oben trifft man nicht viele Bootseigner draußen. Nur die anderen Hundebesitzer kennen wir von unseren täglichen Gassirunden zwischenzeitlich gut. Nun lernt man sich auch ohne Hunde-Connection kennen. Viele Boote werden für die kommende Saison hergerichtet. Die Leute basteln an ihren Schiffen rum, und man kommt öfter und ausdauernder ins Gespräch.


Ganz langsam bildet sich nun auch bei uns der Antrieb, die vielen offenen Themen auf unserer To Do-Liste für die AWOL abzuarbeiten. Es wird auch Zeit. Schließlich wollen wir im Mai nach Osten Richtung Berlin aufbrechen, um unser Zwergerl zu besuchen und einen Großteil des Sommers auf Flüssen und Seen im Grünen zu verbringen. Was hierfür unbedingt funktionieren sollte, sind Generator, Beiboot und Anker. Alles zickt leider im Moment.
Das vernachlässigte Beiboot
Den ersten Lacher für die Hafengemeinde kann ich gleich mal mit unserem Beiboot liefern. Der ganze Tag ist für die Reparatur und Wartung des Außenborders eingeplant. Ich starte versuchshalber den Motor. Ich freue mich wie ein Schneekönig, als der Außenborder auf erstes Zurufen anspringt. Das ist in der Tat erstaunlich. Letztmals gelaufen ist das Gerät in Groningen. Ich sehe im Logbuch nach. Das war am 5. Juli 2017. Von da ab baumelte das Boot von den Davits am Heck und berührte von Friesland bis Südfrankreich und zurück nicht ein einziges Mal das Wasser.

Berauscht von dem Erfolgserlebnis des laufenden Motors beschließe ich, mir endlich mal den gesamten Entrepothaven vom Wasser aus anzusehen, und fahre gen Binnenhavenbecken zu den großen Wohnschiffen. Es kommt, wie es kommen musste. Am Ende des Hafenbeckens, ich wende eben zur Rückfahrt, stirbt der Motor stotternd ab und will nicht wieder anspringen. Benzin ist da. Bizeps zum Ziehen des Anlassers ist da. Aber das Ding will nicht mehr. Ich rudere also die ganze Strecke gegen frischen Wind zurück und werde schon mit Gelächter und Klatschen empfangen.

Nach Internetrecherchen zur Reparatur eines Außenborders haben wir eine Vermutung. Das Benzin scheint schon etwas länger im Tank zu sein. Den ganzen heißen Sommer am Mittelmeer lag der Tank in der Sonne. Ich kann mich auch nicht erinnern, selbst mal getankt zu haben. Der Treibstoff scheint also noch vom Voreigner zu stammen. Wir gießen zunächst zur Begutachtung probehalber eine kleine Menge in eine weiße Porzellanschale ab. Die Plörre ist total trüb und separiert sofort. Damit läuft eigentlich kein Rasenmäher mehr. Wie der Motor überhaupt anspringen konnte, ist mir schleierhaft.

Zunächst erscheint es uns zu mühsam, den gesamten Tank inklusive Pumpe, Ventilen und Zulaufleitung zu reinigen, und wir ziehen einen Neukauf des ganzen Systems in Betracht. Bis dahin haben wir lediglich ein Internet-Tutorial zur Tankreinigung mittels stark sprudelnden Mineralwassers und Spülmittel zur Hand. Ich male mir aus, wie ich über Stunden versuche, den Schaum wieder aus dem Tank zu bekommen. Das Tutorial hat dies mittels einer leeren Wasserflasche und Salatöl anstatt Tank und Benzin veranschaulicht. Wer so einen Quatsch als Tutorial postet, dem gehört die Tastatur weggenommen. Ich vergebe gleich mal einen Daumen nach unten.
Wir beschließen, dennoch einen Reinigungsversuch zu unternehmen. Wir zerlegen dazu Pumpe und Zuleitung in ihre Einzelteile und saugen das alte Benzin mittels Handpumpe ab. Aus dem Auffangbehälter der Pumpe gießen wir alles in Weinflaschen mit Schraubverschlüssen um. Es sind so an die 15 Liter altes Benzin im Tank. Die hierfür benötigten Flaschen können wir auch durch intensiviertes Konsumverhalten nicht so kurzfristig bereitstellen und müssen uns daher unter mitleidigen Blicken der Passanten am Flaschencontainer bedienen.
Wir holen im Ersatzkanister des Fiat frisches Benzin von der Tankstelle und spülen die Leitungen und den Tank durch, pumpen wieder ab, füllen erneut in Weinflaschen um. Zwei Stunden später steht das Deck voll mit benzingefüllten Weinflaschen. Ich hoffe, das sieht niemand. Schwer zu erklären, dass wir hier nicht eine Randale unter Einsatz von Molotowcocktails vorbereiten. Das ganze Zeug geht später zum Reststoffhof. Der Tank scheint sauber zu sein und wird nun mit Premium Benzin von der Tankstelle befüllt.



Nach einigem Rumprobieren und mehreren Startversuchen läuft der Motor jetzt. Wir freuen uns. Ein Stegnachbar hat mich nach etlichen vergeblichen Startversuchen darauf hingewiesen, dass ich den Lufteinlass am Benzintank noch öffnen müsste, weil sich ansonsten Unterdruck im Tank aufbaut und kein Benzin in den Motor fließt. Er hat Recht, aber da wär ich auch selbst noch draufgekommen, denke ich. Man wünscht sich keine Zuschauer bei so einer Reparatur. Der besagte Stegnachbar erzählt dann seiner Frau, er hätte im Vorbeigehen unser Boot repariert. Frechheit!
Der suppende Generator
Für die Zeiten ohne Landstromanschluss haben wir auf dem Boot einen Generator von VTE, einen Paguro 6000, welcher uns im Bedarfsfall bis zu 6,5 Kilowatt bereitstellt.
Der Generator ärgert uns seit Monaten. Irgendwo tritt dort Diesel aus und tröpfelt in das Schallschutzgehäuse und von dort über den Batteriekasten in die Bilge. Nicht das beste Szenario. Ich nehme mir nun die Zeit, die gesamte Leitungsführung vom Tank in den Generator durch Tasten vor und nach einem Probelauf zu begutachten und finde das Leck. Eine Entlüftungsschraube an der Förderpumpe im Generator hat sich gelockert und muss lediglich angezogen werden.

Der vermaledeite Anker
Schwieriger wird es schließlich, das Ankerproblem zu lösen. Wir haben auf der AWOL einen 22 Kilo schweren Danforth-Anker, welcher mit einer 30-Meter-Kette versehen ist. Anker und Kette bewegen sich nur sehr zögerlich, sowohl abwärts als auch aufwärts. Zudem blockiert der Einzug auf dem letzten Meter, weil das Verbindungsstück zwischen Anker und Kette nicht über die zentrale Bugrolle laufen will.
Wir demontieren die elektrische Ankerwinde in ihre Einzelteile und schmieren alles nach Bedienungsanleitung durch. Es blockiert immer noch.
Die Bugrolle für den Anker ist Marke Eigenbau der Werft. Wir entdecken, dass die zentrale Bugrolle zwischen den Metallbacken zu wenig Spiel hat und dadurch wie durch Bremsbacken auf einer Bremsscheibe gebremst wird, insbesondere wenn ein bisschen Schmutz dazu kommt.

Ein Metallbauer gleich gegenüber vom Gamma Baumarkt bringt Abhilfe. Wir besorgen zusätzliche Beilagscheiben und lassen einen längeren Metallzylinder anfertigen, welche die Metallbacken der Bugrolle aufspreizt. Die zentrale Rolle läuft jetzt frei und siehe da, der Anker macht, was er soll, nämlich auf Kommando rauf- und runterrasseln.


Super, jetzt müssen wir nur noch die Roststellen ausbessern, die Auspufftöpfe flicken, die Fugen an Deck erneuern und ungefähr 50 weitere Punkte auf unserer To Do-Liste abhaken…
Gratuliere zu eurem Humor! Keine Schadenfreude, echt, aber wir finden es erleichternd, wenn andere auch ab und an mal solches erleben. Tut einfach gut! Wir sind gespannt darauf wie es weitergeht und verfolgen gerne eure Fahrt gen Osten. Liebe Grüsse, Suzy