Geschichten aus dem Tempelhofer Hafen
Am Nachmittag kommen zwei Charterboote im Hafen an. Josef und Thaddäus heißen die Boote und gehören augenscheinlich zusammen. Wie eine biblische Plage werden sie über uns kommen. Die Besatzungen beider Boote kommunizieren in tiefstem Sächsisch, während sie versuchen, zeitgleich am Steg festzumachen. In bester Chartermanier wird der Abstand zum Nachbarboot durch Einhacken auf dasselbe mit dem Bootshaken hergestellt. Ich frage mich manchmal, ob es so schwierig sein kann, den gedanklichen Transfer von Auto zu Boot zu vollziehen. Niemand würde mit einem Bootshaken auf sein Auto einstochern.

Beide Boote rammen kurz nacheinander den Bug in den Holzsteg und brechen mit dem Anker Teile aus den Holzleisten. Ein Anker sitzt auf dem Steg auf und lässt sich nur durch heftige Fußtritte eines Besatzungsmitglieds lösen. Die Bootslackierung unter dem Anker wird auch gleich ruiniert, wo man schon dabei ist. Egal. Ist ja nur ein Charterboot, denkt man sich scheinbar.


Das Anlegemanöver ist schmerzhaft und dauert lange. Man brüllt sich an. Ich vernehme Wortfetzen: „Der Motor geht nicht aus… Du musst die Zündung wieder anmachen und dann den Knopf drücken… Ich will aber ausmachen, nicht anmachen…“ und so weiter. Als beide Motoren schließlich abgestellt sind, stellt die Besatzung von Thaddäus fest, dass man vom Boot nicht an Land kommt. Die Helfer an Bord haben die Leinen in der Aufregung am Nachbarschiff befestigt und nicht an den Klampen am Steg. Zwischen Steg und Boot klafft eine Lücke von fast 2 Metern. Motor wieder an. Näher an den Steg gefahren und erneut festgemacht. Der Anker mit Spill blockiert nun den Hauptsteg und ragt etwa einen Meter über. Bei jeder Welle, die durch den Hafen läuft, knallt entweder der Bug an oder der Anker auf den Steg. Zwischenzeitlich hat sich eine kleine Gruppe gebildet, die das Schauspiel beobachtet.

Ein weibliches Besatzungsmitglied will sich um Wasser kümmern, versteht jedoch das Konzept des Münzeinwurfs an der Zapfstelle zunächst nicht. Sie lässt sich alles erklären, mehrfach. Sie erbittet von benachbarten Bootseignern Münzen, weil sie gerade kein Kleingeld zur Hand hat. Ein Bootseigner leiht ihr auf Nachfrage zudem einen Wasserschlauch. Auch einen solchen hätte sie wohl erst aus dem eigenen Boot holen müssen. Nach einiger Zeit gibt sie ihr Vorhaben dennoch auf, weil sie es nicht schafft, den Schlauch an den Hahn anzuschließen. Ein Verbindungsstück fehlt. Den Schlauch lässt sie auf dem Steg liegen, und sie setzt sich mit einem Bier zum Rest der Truppe.
Ein männliches Besatzungsmitglied kümmert sich um Strom. Er steht kopfkratzend an einer Stromsäule. Alle Steckdosen sind belegt. Es dauert lange, bis er die Situation erfasst. Schließlich kommt ihm eine Idee. Er zieht einfach einen anderen Stecker raus und legt ihn auf den Steg. Nun ist Platz für sein Kabel. Er sieht zufrieden aus angesichts dieser genialen Lösung.

Die Neuankömmlinge entspannen sich schließlich. Man öffnet einige Flaschen Bier und setzt sich an Deck. Es wird sofort laut. Es gibt scheinbar viel zu lachen. Der hilfsbereite Schweizer Edi vom Nachbarboot versucht derweil, den Anker vom Steg fernzuhalten, um weiteren Schaden zu vermeiden. Edi schiebt am Bootsrumpf und ruft der Besatzung von Josef zu, aber man hört ihn nicht. Man trinkt Bier und feiert. Der herbeieilende Hafenmeister löst die Situation schließlich auf und macht einige Ansagen.
Oje, 🤣 kommt mir irgendwie bekannt vor. Bin überzeugt, die waren bestimmt schon hier in Frankreich, entweder dieselben oder Verwandte von ihnen 😉