Huch! Was ist denn hier los?
Auf dem Canal de Saint-Quentin in Nordfrankreich hatten wir die sehr praktische Gelegenheit, uns mit der Funktionsweise eines Autopilotsystems auseinanderzusetzen. Im Gegensatz zu mir verwendet Barbara auch auf Kanälen und Flüssen gerne den Autopiloten und die Fernbedienung. Normalerweise sollte das Schiff beim Aktivieren des Autopiloten natürlich genau die Richtung beibehalten, die man zuletzt mit dem Steuerrad eingeschlagen hat.
Eines Tages, als Barbara von manuell auf auto umschaltete, bog die A.W.O.L. aber plötzlich mit hartem Rudereinschlag im rechten Winkel Richtung Ufer ab, und das auf diesem superschmalen Kanal! Sehr erschrocken schaltete sie sofort wieder auf manuell um. Den nächsten Versuch unternahmen wir an einer etwas breiteren Stelle, mit dem gleichen Ergebnis. Das Schiff hielt nicht Kurs, sondern schlug eine komplett andere Richtung ein.
Gedanklich waren wir zuerst bei „schon wieder ein Teil kaputt“. Schließlich kam uns aber eine Idee. Der Autopilot braucht den Steuerkompass, um seine Richtung zu finden. Unser Kompass war zu dem Zeitpunkt sogar ziemlich neu, denn der alte hatte die Montage unserer neuen Satellitenschüssel nicht überstanden und war ersetzt worden. Sollte der etwa schon wieder kaputt sein?
Nachdenken bringt manchmal eine Lösung!
Es handelt sich bei unserem Kompass um einen Fluxgate Steuerkompass (Transducer) von Raymarine. Er ist auf dem Mast montiert. Von dort führt ein Kabel zur Zentraleinheit im Inneren des Bootes.

Im schwarzen Kompassgehäuse ist unten an der Kompasseinheit ein recht schwerer magnetischer Metallzapfen verbaut. Der sieht so ähnlich aus wie ein Tropfenblei beim Angeln.

Dieser Metallzapfen zieht aufgrund seines Gewichts unabhängig von der Position des Bootes stets nach unten. Die Kompasseinheit kann sich über Quer- und Längsachsen in einer runden Fassung frei drehen. Dadurch kann die Kompasseinheit Neigungen des Bootes über Längs- und Querachsen nicht mitmachen. Sie wird also vom Metallzapfen in Position gehalten. Ich meine, man nennt das kardanische Aufhängung (siehe Wikipedia ).

Allerdings funktioniert dieses System scheinbar nur bis zu einer gewissen Neigung. Das macht grundsätzlich auch Sinn, weil sich das Schiff ja nur bis zu einem gewissen Grad neigen kann, bevor es kentert. Dann braucht man eh keinen Kompass mehr.
Auf dem Canal de Saint-Quentin zwischen Masnieres und Chauny in Frankreich sind die Durchfahrtshöhen unter den Brücken und im Tunnel Riqueval stark beschränkt. Unsere Masthöhe beträgt 4,70 Metern bis zur Oberkante Ankerlicht. Bei der Durchfahrt unter Brücken müssen wir den Mast komplett absenken, also umlegen, um so eine Durchfahrtshöhe von unter 3,50 Metern zu erreichen. Der Mast wird dabei im rechten Winkel nach hinten geklappt. Weil es so viele Brücken auf dem Kanal gibt, haben wir den Mast während der Fahrt einfach liegen lassen.
Bei liegendem Mast schaut der Kompass kerzengerade nach oben. Die Kompasseinheit kann sich nicht mehr frei drehen und arretiert, weil der schwere Metallzapfen einfach zur Seite fällt und dort liegen bleibt. Der Autopilot errechnet dann natürlich völlig unzutreffende Kurse. Diese Erkenntnis war fast schon peinlich, dennoch hilfreich.
before using read your instruction manual
weisst du wieviele Manuals hier rumliegen Schorsch – wenn wir die alle lesen müssten wären wir noch gar nicht losgefahren