Über Potsdam ließe sich sehr viel berichten. Die alten Preussen haben hier ganz großes Kino veranstaltet. Barbara ist zwar kein Fan von Schlössern. Die Eindrücke erschlagen sie aber ähnlich wie mich. Ich habe so etwas noch nie gesehen, nicht in der Masse, Pracht und Dekadenz. Wenn irgendetwas den Titel Weltkulturerbe der UNESCO verdient hat, dann sind das sicherlich die Parks und Schlösser hier in und um Potsdam.

Deshalb, und weil unser Zwergerl uns hier gut besuchen kann, bleiben wir auch sehr viel länger als geplant: vom 06. bis 30. Juli 2019 liegen wir in der Marina am Tiefen See. Das ist der Vorteil, wenn man ohne feste Termine reisen kann. Die Marina liegt toll an der Schiffbauergasse, einer ehemaligen preussischen Husarenkaserne. Hier wurden auch mal Dampfschiffe gebaut und Kaffee produziert. Heute haben sich in den historischen Gebäuden Theater, Ballettbühne, Museen, Bars, Restaurants und viele Kreative niedergelassen. Eine tolle Hundewiese ist ebenfalls direkt vor der Tür. In Laufweite befindet sich ein guter Bio Supermarkt, den wir ausgiebig nutzen.


Den langen Aufenthalt nutzen wir zum Upgrade unserer Ausstattung. Der Weber Grill ist viel zu groß und verschlingt zudem bei jedem Grillen einen halben Sack Briketts. Wir holen uns einen orangefarbenen Lotus Grill für den Tisch, weil der gerade so hipp ist und zudem brandsicher. Dazu gibt es gleich eine neue Grillzange, ebenfalls orange.

Die großen, eigentlich sehr bequemen Decksstühle nerven uns bereits, seit wir das Boot haben, weil viel zu sperrig. Zufällig entdecken wir während eines Stadtbummels Stühle, die uns sehr ansprechen. Die nehmen wir gleich mit und schleppen sie drei Kilometer durch die Stadt. Die alten Stühle stellen wir noch am selben Abend unter die nahegelegene Brücke an den Fluss. Nico hängt Schilder dran: „Anglerstühle“. Zunächst werden die gut angenommen von Anglern, Passanten und Feuerwehrleuten (die Hauptfeuerwache ist gleich um die Ecke). Ein paar Tage später sind sie weg und stehen heute hoffentlich in irgendeinem Potsdamer Garten.


Bisher dachte ich, Potsdam, das sei in erster Linie Sanssouci, das prächtige Schloss vom Alten Fritz. Den Alten Fritz kaufe ich mir deshalb in Sanssouci als Kühlschrankmagnet. Das muss sein. Er teilt sich nun die Kühlschranktüre mit, sagen wir mal, historisch etwas weniger bedeutenden Magneten.

Wir lernen, dass Sanssouci lediglich einer von vielen Schlossgärten der Preussen war. Die im italienischen Stil errichtete Orangerie und die Friedenskirche haben es mir hier besonders angetan. Für das Schloss selbst habe ich jetzt in der Hochsaison keine Geduld. Hier muss man sehr frühzeitig seinen Slot buchen, da die Besucheranzahl limitiert ist. Das macht auch Sinn, weil die ganze Welt nach Potsdam strömt, um einmal in diesem Schloss zu stehen. Unverständlich ist, weshalb die weiteren Sehenswürdigkeiten im Park nahezu unbesucht bleiben. Das Instagram-Zeitalter, denke ich. Die Gemeinde verlangt nach einem Selfie im Schloss vom Alten Fritz. Da kann man dann nicht einfach mit dem Schloss Charlottenhof oder gar dem Neuen Palais daherkommen. Das will keiner sehen und bringt auch weniger Likes.



Der Neue Garten ist nicht minder beeindruckend. Das ist ein weiterer Schlosspark am Heiligen See, von Friedrich Wilhelm II unweit von Sanssouci angelegt. Hier wird uns bewusst, wie sehr sich Moderator Günther Jauch in Potsdam eingebracht hat. Man sagt, er lebe am Heiligen See direkt neben Wolfgang Joop mit Blick auf das Marmorpalais im Neuen Garten (wobei Joop augenscheinlich gerade weggezogen ist). Jauch hat viel Geld gespendet für die Restaurierung preussischer Kulturgüter. Das gefällt vielen Potsdamern nicht. Es wird kritisiert, man könne das Geld auch nachhaltiger einsetzen, etwa für erschwinglichen Wohnraum. Das Fortunaportal im Stadtschloss am Alten Markt etwa zählt zu Jauchs Projekten. Nahezu besessen scheint Jauch von Muschelgrotten zu sein. Hiervon hat er mehrere in verschiedenen Schlossparks wiederaufbauen lassen.



Mein persönlicher Lieblingspark ist der Schlosspark Babelsberg, gleich am Yachthafen über die Brücke. Der Park samt Gebäuden wurde für Kaiser Wilhelm I angelegt. Dort geht Lisbeth schwimmen, solange die Blaualgen nicht überhand nehmen, und ich gehe laufen. Ich bin derart begeistert, dass ich mir gleich neue Laufschuhe zulegen muss. Was mir hier so sehr gefällt, ist, dass der Park nicht so manikürt wirkt wie die meisten anderen Schlossgärten. Es ist auch sehr hügelig hier, was die Laufroutine aufpeppt. Tatsächlich rangiert Babelsberg nun unter meinen Lieblings-Lauf-Locations.








Es gäbe so unglaublich viel zu erzählen von hier, etwa über die russische Kolonie Alexandrowka, das Kopfsteinpflaster in der Berliner Vorstadt, das Holländische Viertel im Zentrum, die tollen Radtouren und Wanderungen, leckere Lokale wie das Café Guam mit 30 Sorten Käsekuchen (der quasi in Potsdam erfunden wurde!), den Glienicker Park, unsere Grillabende zum Sonnenuntergang und gefühlt 50 weitere Prachtbauten. Nach mehr als drei Wochen Potsdam haben wir nicht annähernd gesehen, was wir sehen wollten, und nur einen kleinen Bruchteil dessen, was es zu sehen gibt. Wir kommen sicher nochmal zurück.





TIPPS:
Käsekuchen im Café Guam im Holländischen Viertel www.cafe-guam.de
Französische Landküche im Maison Charlotte im Holländischen Viertel www.maison-charlotte.de
Für Sushi und vietnamesische Küche die Schwesterlokale Chi Keng und My Keng www.sushi-potsdam.de
Tolle Pasta im Ristorante il Teatro in der Schiffbauergasse www.ilteatro-potsdam.de
Räderei am Kanal – sehr kompetent und preiswert für Fahrradreparaturen und Zubehör www.raederei-am-kanal
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