22. bis 25. August 2018: Von Teupitz zurück nach Berlin – 3 Tage – 79 km, 9,5 h – 1 Schleuse – 1 Hebebrücke
Am 22.08.2019 geht es von Teupitz wieder zurück Richtung Norden. Eigentlich hätten wir gern als nächstes die Storkower Gewässer erkundet, aber der Wasserstand – bzw. unser Tiefgang – lässt das nicht zu. Also peilen wir den Müggelsee und die dahinter liegenden Seen an.
Nach der Einfahrt in den Zemminsee übersieht Barbara eben mal die schmale und spärlich gekennzeichnete Seeausfahrt, die sich eher rechterhand befindet, und sprintet geradeaus Richtung Flachwasser. Kann schon mal passieren. Bleibt ohne Konsequenzen. Wir drehen ab und finden den Weg.

Die Hebebrücke bei Groß Köris kostet uns heute kaum Zeit, da wir nur einige Minuten vor der stündlichen Öffnung um 11 Uhr hier eintreffen.



Nach 15 Kilometern und zwei Stunden Fahrt beschließen wir, heute nochmals zu ankern. Wir legen uns im Schmöldesee, der gerade noch so zu den Teupitzer Gewässern gehört, bei Kilometer zwei an das Ostufer dicht vor eine kleine Schilffläche. Gleich daneben haben wir eine geeignete Ausstiegsstelle für die Hunde entdeckt. Das Wasser ist hier noch etwa vier Meter tief, und wir kreisen aufgrund der wechselnden Windrichtung mit großem Radius um unseren Anker. Dabei geht es bis zu fünf Meter ans Ufer heran. Mich macht das etwas nervös. Barbara findet es schön, so mitten im Grünen. Solang das Grüne noch ein paar Meter Abstand vom Boot hat, bin ich einverstanden.

Bei strahlendem Sonnenschein kommen die tollen Kiefern mit ihren roten Stämmen hier besonders gut zur Geltung.


Während eines Landgangs mit den Hunden folge ich einem parallel zum Ufer verlaufenden Trampelpfad. Es ist wildromantisch hier. Das denken nicht nur wir. Scheinbar animiert der Ort dazu, alle Klamotten von sich zu reißen. Das nachmittags noch neben uns liegende Russenschiff hat nach einigen nackten Arschbomben eines Großteils der Crew wieder abgelegt. Im Wald begegnet mir ein nackter Schwammerlsucher. Er meint nur „Tach“. Etwas weiter parkt ein Rentnerehepaar einen Kleinwagen auf einem Waldweg, steigt aus und entlädt den Kofferraum (Kühltaschen und Handtücher), um das Zeug auf das am Ufer befestigte Boot zu bringen. Man bückt sich tief, um neben dem Wagen abgestellte Kisten aufzunehmen. Alles findet natürlich nackt statt.


Wir liegen günstig am Sonnenufer des Schmöldesees und können den Sonnenuntergang genießen. Gegenüber liegen viele Boote Seite an Seite dicht gedrängt an den Gastliegerplätzen eines Campingplatzes seit vier Uhr im Schatten. Bei uns wird gegrillt. Es gibt Grillkäse mit dem Gesicht von Mario Gomez auf der Packung (muss besonders gut sein), Zucchini und Pimientos del Padron mit ordentlich körnigem Meersalz, dazu Sardinen aus Marseille und die letzte Flasche Wein aus der Cave de Gruissan. Der Fisch, der mir heute Abend an die Angel geht, ein Rotauge, ist zu klein und wird wieder freigesetzt.

Am nächsten Tag geht es weiter. Die angekündigte Hitzewelle nimmt heute Fahrt auf. Früh am Morgen ist es noch 10 Grad frisch, das ist toll. Beim morgendlichen Blick auf mein MacBook muss ich lachen. Selbst in dieser Wildnis werden diverse WLAN-Optionen angezeigt. Darunter: „Deep Space Ten“, „Der Weltraum“ und „Teeladen“. Wir brechen bei 24 Grad gegen 11 Uhr auf. Eigentlich habe ich mich auf eine kurze Fahrt eingestellt. Das Ganze artet dann doch eher in eine stundenlange Suche nach einem neuen Liegeplatz aus.


Auf dem sehr flachen Dolgensee eine Schrecksekunde: Barbara überholt eine Schnarchnase im Charterboot und bemerkt dabei nicht, dass diese bereits links außerhalb des Fahrwassers fährt. Das Boot des Schnarchers versperrt den Blick auf die Fahrwassertonne. Das ist, wie wenn man auf der Autobahn langsam einen Lkw überholt und deshalb die Schilder am rechten Fahrbahnrand nicht zu sehen bekommt. Barbara überholt noch weiter links und gelangt weit außerhalb der Fahrrinne ins Flachwasser. Wir setzen auf. Der sandige Grund bremst das Boot stark ab. Ein panischer Blick auf die Karte bestätigt, da war doch eine Ein-Meter-Linie. Hätte die Kapitänin nicht geistesgegenwärtig den Gashebel durchgedrückt, lägen wir da wahrscheinlich jetzt noch und würden aufs Freischleppen warten.

Diverse auf der Gewässerkarte vermerkte Liegeplätze erweisen sich als ungeeignet, weil, entgegen den Kartenangaben, nicht für unsere Größe ausgelegt. Im Krüpelsee fahren wir mehrmals auf und ab. Die Marina Zernsdorf ist voll und außerdem nicht ansprechend. Wir versuchen, in einem drei Kilometer langen Seitenarm, der Zernsdorfer Lake, einen Ankerplatz zu finden. Ein Ufer ist militärisches Sperrgebiet, das andere Ufer entweder dichter Schilfgürtel oder Privatgrundstück. Zudem ist es nicht schön hier, sagt Barbara. Wir steuern die Seebrücke Senzig am Südufer des Krüpelsees an. Dort könnte man an einem großen ehemaligen Fahrgastanleger links und rechts anlegen, sehr schöner Liegeplatz, wenn nicht bereits alles belegt wäre. Wir telefonieren umliegende Yachthäfen ab und hören immer nur, alles sei voll. Etwas frustrierend ist das.


Die Mühlenschleuse ist heute stark frequentiert. Wir müssen uns trotzdem nicht lange gedulden. In unsere Richtung nach Norden warten lediglich zwei Boote, als wir ankommen. Im Wartebereich frage ich die anderen Bootseigner nach deren Bootslängen. 11 Meter und 7 Meter, vernehme ich. Zusammen mit unseren 15 Metern macht das 33 Meter. Die Schleuse ist 38 Meter lang. Das passt, wenn wir kuscheln.
Ein weiteres Boot im Wartebereich würde gerne einfahren, darf aber nicht. Bei der Ankunft hat dessen Kapitän entgegen der Regel überholt und sich vor alle anderen Boote an den Wartesteg gesetzt. Auf Nachfrage des Schleusenpersonals insistiert der Bootsführer, er wohne hier und die Touristen könnten warten. Daraufhin wurde die Wasserschutzpolizei gerufen und ein Strafzettel von Euro 250 ausgestellt.
Glücklicherweise fahren wir heute, Freitag, nicht in die Gegenrichtung nach Süden. Es warten 15 Boote auf ihren Wochenendtrip in die Teupitzer Gewässer. Das kann Stunden dauern.

Nach über vier Stunden Fahrt und etwa 23 Kilometern, einer Schleuse und einer Hubbrücke haben wir genug für heute. Die Temperatur liegt nun bei über 30 Grad. Wir werfen bei nächstbester Gelegenheit den Anker. Das passiert im Großen Zug, einem Seitenarm der Dahme. Dort finden wir einen strandartigen Uferabschnitt und legen uns dicht davor. Prima. Endlich mal ein toller Sandstrand nur für uns, denken wir, und machen erst mal ein Schläfchen in der Kabine.
Als wir am späten Nachmittag wieder aufwachen, sehen wir am Ufer spielende Kinder und viele Badende, die unser Boot umschwimmen und schimpfen. Man ist offensichtlich mit der Wahl unseres Ankerplatzes nicht einverstanden. Wir haben scheinbar direkt vor einem beliebten Badestrand angelegt. Also nichts mit Privatstrand. Woher sollen wir wissen, dass plötzlich mitten im Wald so viele Menschen auftauchen.

Ohnehin habe ich im Internet gelesen, dass unmittelbar um die Ecke (bei Zeuthen, direkt gegenüber in Sichtweite, und am Nottekanal) Gewässer und Badestrände gesperrt wurden, weil extrem toxische Blaualgen festgestellt wurden. Hunde, Kinder und alte Menschen können sterben oder wenigstens Hautausschlag und Durchfall bekommen. Warum baden die Leute hier?
Nach unserer Odysee heute morgen haben wir jetzt wirklich keine Lust, das Schiff nochmal umzusetzen – wo sollen wir auch hin? Also auf zum Hundegassi. Bei Ankunft am Strand kucken zunächst alle Badegäste sehr neugierig, was hier auf dem Beiboot eintrifft. Als erstes springt Xabi aus dem Boot in den Uferschlamm. Von dort aus sprintet er durch den Klamottenberg einer badenden Familie, ich vernehme „ey hör mal“ und „was soll denn das“. Xabi galoppiert nun in Richtung eines Kleinkindes, welches ohne Hundkontakt umfällt und anfängt infernalisch zu schreien. Die Mutter: „Haltet das Tier fest“. Der Vater: „Is nix passiert“. Ich versuche dem Kind zu erklären, dass Xabi nur gefährlich klingt und aussieht, aber eigentlich lieb ist. Ich dringe nicht durch. Es gelingt mir schließlich, ihn einzufangen.
Endlich alle an Land und unter Kontrolle, lese ich auf einem Schild, dass das hier ein Spielplatz ist und Hunde verboten sind. Super also mit unseren drei Chaoten. Das heißt, Lisbeth war sehr zurückgenommen, hat sich nur leider direkt am Strand erleichtert. Aber nachdem uns vorher schon alle blöd fanden, kommt es darauf auch nicht mehr an.

Am nächsten Morgen sind sie da, die Blaualgen. Das Wasser ist giftgrün. Über Nacht hat der Wind die Algenteppiche an unser Ufer getragen. Wir wollen hier gar nicht mehr an Land gehen, weil das Ufer mit grünem Schlamm bedeckt ist. Und das noch vor der großen Hitzewelle! Es wird Zeit, hier abzuhauen! Ich bin hart im Nehmen und schwimme in jeder Brühe. Meine Jugend im Auer Mühlbach in München hat mich abgehärtet. Aber wenn ich wegen Blaualgen, also Cyanobakterien, nur noch fünf Zentimeter Sichtweite unter Wasser habe, dann ist genug. Überhaupt reicht es uns in Anbetracht der sich stetig verschlechternden Wasserqualität einerseits und der Liegeplatzverknappung andererseits mit Berliner Naherholung. Wir telefonieren mit dem Yachthafen in Tempelhof und planen den Umzug in die Stadt.

Wir brechen früh auf und verschieben das morgendliche Hundegassi auf unterwegs. Weiter auf der Dahme durch den Zeuthener See, vorbei an Schmöckwitz und durch den Langen See geht es wieder Richtung Köpenick. Kurz vor Köpenick begegnen wir einem der hier eher seltener anzutreffenden großen Frachtschiffe.





Bei Grünau fahren wir Richtung Westen in einen Arm des Teltowkanals, den wir bisher noch nicht befahren hatten. Es wird sofort wieder sehr urban. Wir passieren eine kleine Werft mit Bootshändler, und es gibt viele Graffiti. Nach 14 Kilometern Teltowkanal treffen wir im Hafen Tempelhof ein. Ich fühle mich spontan wieder wohl. Wir legen an. Der erste Weg führt in den großen Edeka, und wir freuen uns, wieder in der Zivilisation angekommen zu sein.



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